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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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verzog das Gesicht. »Und wie war’s nun?«
    »Eigentlich ganz nett«, sagte Carol. »Unkompliziert und direkt. Das Märchenland eines Denkers. Schlichte Bilder von Menschen, besonders von den Programmierern und Konstrukteuren, so wie Jill sie anfangs wahrgenommen hat. Mich hat’s an alte Computergrafiken aus dem zwanzigsten Jahrhundert erinnert. Kurios, knallbunt, sauber und mathematisch. Haufenweise Abstraktionen und elementare Denkerdesignsprache in visueller Form. Jede Menge nichtvisuelle Räume, die schwer zu interpretieren sind. Nach den Besuchen in Jills Keller ging es mir so, wie es Roger Atkins gehen muß: Ich fing an, sie – es – wirklich zu mögen.«
    Martins Neugier war gestillt, und er tat das mit einem unruhigen Nicken ab. »Klingt aber nicht nach einer komplexen Landschaft.«
    Carol schürzte die Lippen. »Nein, wohl nicht.«
    »Also bist du nicht mehr in der Landschaft gewesen, seit wir das letzte Mal zusammen drin waren.«
    »Nein, ich schätze, das könnte man so sagen. Aber ich habe mehr als ein Dutzend Stunden im Triplex verbracht. Das sollte zumindest als Übung zählen.«
    »Bitte denk nicht, daß ich die Arbeit runtermachen will, die du geleistet hast. Du mußt wissen, daß ich mich wahrscheinlich nicht auf die Sache eingelassen hätte, wenn du nicht mit von der Partie gewesen wärst.«
    »Wahrscheinlich«, wiederholte sie trocken.
    Er zog die Augenbraue hoch und schaute auf die Decke hinunter. »Hast du mal an die Möglichkeit gedacht, daß wir in Gefahr geraten könnten?«
    »Eigentlich nicht«, sagte sie. »Wie kommst du darauf?«
    »Zuerst mal wegen Goldsmith. Er ist ein stürmischer Ozean unter dicken Wolken. Wir sehen nur die friedliche Wolkenlandschaft. Aber was mir wirklich Sorgen macht, ist, daß wir keinen Puffer haben. Wir werden ineinander drin stecken, du und ich und Goldsmith, und voll und ganz den Bedingungen der Landschaft ausgesetzt sein. In Echtzeit. Ohne Verzögerung.«
    Sie streckte die Hand aus und faßte ihn an der Schulter. »Hört sich für mich an, als ob es genau das Richtige wäre. Ein echtes Abenteuer.«
    Martin sah sie besorgt an. Er hoffte, daß sie nicht zu guten Mutes war; es konnte sein, daß Angst in der Landschaft als eine Art von Schutz dienen würde. »Haben wir alles geklärt?«
    »Ich glaub schon.«
    »Dann laß uns die Pause abkürzen und wieder an die Arbeit gehen.«
    »In Ordnung. Und vielen Dank.«
    »Wofür?« fragte er verdutzt.
    Als sie standen, umarmte sie ihn fest und hielt ihn dann auf Armeslänge entfernt. »Dafür, daß du Verständnis hast und ein Kollege bist«, sagte sie.
    »Das ist es ja auch, worauf’s ankommt«, murmelte er, als sie die Decke zusammenlegten und die leeren Biertüten aufhoben.
    »Da hast du verdammt recht«, sagte Carol.

 
51
     
    Eine tropische Nacht, ein prachtvoller Sternenhimmel. Mary Choy, die in einer von Geisterhand gelenkten, durch eine dunkle Landschaft jagenden Limousine einem brütenden und traurigen Mann gegenübersaß, der während der letzten halben Stunde kein Wort gesagt hatte, beobachtete die Prozession von Dörfern Feldern Buschwerk weiteren Feldern. Eine schwarze Asphaltstraße. Die Limousine glitt zügig steile Steigungen zu kurvenreichen Bergstraßen hinauf.
    Sie hatte ihre Pistole so oft berührt, daß sie ihr vertraut und nicht sehr beruhigend vorkam; falls sie gezwungen war, sie zu benutzen, würde sie höchstwahrscheinlich ohnehin sterben. Warum hatte Reeve sie ihr dann gegeben?
    Weil sich kein PD mit dem Gedanken anfreunden konnte, sich völlig machtlos in Gefahr zu begeben. Sie dachte an Shleges Freundin, die bei dem Selektor-Jiltz in dem Comb wild mit ihren Flechettes um sich geschossen hatte.
    »Wir sind bald da«, sagte Soulavier. Er beugte sich vor, um aus den Fenstern zu schauen, rieb sich die Hände, neigte den Kopf und rieb sich die Augen und die Wangen – Vorbereitungen auf etwas, was ihm nicht behagen würde. Er hob den Kopf und betrachtete sie unverwandt mit traurigem Blick.
    »Wo?« fragte Mary.
    Einen Moment lang antwortete er nicht. Dann wandte er sich ab. »An einem besonderen Ort.«
    Mary biß die Zähne zusammen, um ein Frösteln zu unterdrücken. »Ich wüßte gern, was ich mir da eingebrockt habe.«
    »Sie haben sich gar nichts eingebrockt«, erwiderte Soulavier. »Ihre Chefs haben Ihnen das eingebrockt. Sie sind ein Lakai. Benutzt man dieses Wort in Amerika noch?« Er sah sie mit hoch erhobener Nase gebieterisch fragend an. »Sie haben keine Macht über Ihr Schicksal.

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