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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Ich auch nicht. Sie haben sich festgelegt, ebenso wie ich. Sie folgen Ihrem Weg. Ich folge meinem.«
    »Das klingt alles schrecklich fatalistisch«, sagte Mary. Sie dachte erneut daran, die Pistole zu ziehen und ihn zu zwingen, die Limousine anzuhalten und sie aussteigen zu lassen. Aber sie tat es nicht, denn es wäre ziemlich kurzsichtig gewesen. Auf dem Land konnte sie nicht lange untertauchen. Es war heutzutage kein Problem mehr, einen einzelnen Menschen zu finden, der sich versteckte, oder sogar ein Individuum in einer Menschenmenge ausfindig zu machen; nicht einmal für Hispaniola, das zwanzig Jahre hinterherhinkte.
    Soulavier fragte die Limousine etwas auf Kreolisch. Die Limousine antwortete mit einer weichen, weiblichen Stimme. »Noch zwei Minuten«, sagte er zu Mary. »Sie werden zum Haus von Colonel Sir in den Bergen gebracht. In welchen Bergen, tut nichts zur Sache.«
    Sie verspürte Erleichterung. Das klang nicht wie ein Todesurteil; es klang eher wie ein diplomatisches Pokerspiel. »Warum sind Sie dann traurig?« fragte sie. »Er ist Ihr gewählter Führer.«
    »Ich halte zu Colonel Sir«, sagte Soulavier. »Es macht mich nicht traurig, sein Haus aufzusuchen. Ich empfinde Trauer um jene, die sich ihm entgegenstellen, um Leute wie Sie.«
    Mary schüttelte ernst den Kopf. »Ich habe mich in keiner Weise gegen ihn gestellt.«
    Soulavier tat das mit einer verächtlichen Handbewegung ab und fauchte: »Sie sind ein Teil von all seinen Sorgen. Er wird von allen Seiten bedrängt. Ein Mann wie er, so edel wie er, sollte nicht auf die Dankbarkeit von kläffenden wilden Hunden angewiesen sein.«
    Marys Stimme wurde weicher. »Ich bin ebensowenig ein Grund für seine Sorgen wie Sie. Ich bin hergekommen, um einen Mann zu suchen, der eines Verbrechens verdächtigt wird.«
    »Einen Freund von Colonel Sir.«
    »Ja…«
    »Ihre Vereinigten Staaten beschuldigen ihn, einen Verbrecher aufgenommen zu haben.«
    »Ich glaube nicht…«
    »Dann glauben Sie’s eben nicht«, sagte Soulavier. »Wir sind da.« Sie fuhren zwischen massiven Säulen aus Stein und Beton hindurch und verfehlten das wuchtige, schmiedeeiserne Tor nur um Zentimeter, als es weit aufschwang. Überall leuchteten Taschenlampen auf. Soulavier zog Ausweispapiere hervor. Die Tür der Limousine sprang automatisch auf, und drei Wachposten stießen ihre Gewehre ins Innere. Sie musterten Mary mit bösartig klugen, geschlitzten Augen prüfend, aufmerksam und skeptisch. Soulavier gab ihnen die Papiere. Sie sahen Mary an und sagten hin und wieder ein paar leise Worte zueinander, aus denen männliche Ungläubigkeit und Bewunderung klangen.
    Soulavier stieg als erster aus. Er streckte ihr die Hand hin und wackelte mit den Fingern, damit sie ihm ihre reichte. Sie stieg aus, ohne seine Hilfe anzunehmen, und blinzelte ins Taschenlampen- und Scheinwerferlicht.
    Ein Haus? Überall Wachtürme, wie in einem Gefängnis oder einem Konzentrationslager. Sie drehte sich um und sah eine groteske Zuckerbäckermonstrosität an dem großen gepflasterten und asphaltierten Platz liegen. Ein einziges gewaltiges, vielspitziges Geschnörkel aus Holz, behauenem Stein und Schmiedeeisen, in einem grünlichen Blau gestrichen, mit weiß gerahmten Fenstern und Türen wie die Augen und Münder von Clowns.
    Mary fiel auf, daß sämtliche Wachposten ihre schwarzen Uniformmützen schief auf dem Kopf trugen und in Schwarz und Rot gekleidet waren. Alle hatten fingerlange Anstecknadeln an ihren breiten Aufschlägen, einen skeletthaften Mann mit rubinroten Augen, Zylinder und Frack. Soulavier trat vor, nachdem er sich mit einer Gruppe von Wachposten unterhalten hatte. »Bitte geben Sie mir Ihre Waffe«, sagte er ruhig.
    Ohne zu zögern langte sie in ihre Tasche, zog die Pistole heraus und reichte sie Soulavier, der sie mit einiger Neugier betrachtete, ehe er sie weitergab.
    »Und Ihre Haarbürste«, sagte er.
    »Die ist im Gepäck.« Seltsamerweise schien sich ihre Laune nach dieser Entdeckung und Entwaffnung zu heben. Damit wurde ihr die Entscheidung auf einer weiteren Ebene abgenommen. Die Dinge entwickelten sich so unerfreulich, daß die vorhersehbare Abfolge ihrer Gefühle durchbrochen wurde.
    »Wir sind keine Einfaltspinsel«, sagte Soulavier, als Wachposten ihren Koffer aus dem Kofferraum holten und ihn mit Gewehren aufstießen. Ein hochgewachsener, muskulöser Wachposten mit einem schlauen Bulldoggengesicht nahm die Haarbürste heraus, hielt sie ins Licht der Taschenlampe, fummelte den Verschluß

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