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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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einem grauen, stürmischen Ozean, einem rotweinfarbenen See, einer schlammigen Pfütze, in die Regentropfen fielen. Die Wüsteninsel blieb bestehen, ebenso wie das Kind, das seinen endlosen Zyklus von Aufblicken, Schimpansengesicht und Rückkehr zum Kartenspiel wiederholte. Dies war ein Sonderfall der Landschaft; ein Symbol, das einer personalen Zwischenschicht zugeordnet war und Eigenschaften annahm, die nicht vom genetischen Erbgut, sondern von Goldsmiths eigenen frühen Kindheitserlebnissen abstrahiert waren.
    Wofür der Raum, das Kind und das Schimpansengesicht standen, spielte hier keine Rolle; wahrscheinlich konnten solche tiefliegenden Schichten überhaupt nicht kartiert werden, indem man für ihre Bedeutungsgehalte direkte Entsprechungen suchte.
    Martin war früher schon oft auf derartige persönliche, mythische Idiome einer Tiefenschicht gestoßen, die immer rätselhaft, oftmals aber auch wunderschön waren. Sie waren wahrscheinlich von archetypischen Problemlösungsprozessen in der frühen Kindheit determiniert. Möglicherweise handelte es sich bei diesen Endlosschleifen um abgelegte Artefakte der Individuation, eines Prozesses, der normalerweise im Alter von drei oder vier Jahren abgeschlossen war. Wie auch immer, sie waren faszinierend, aber im Grunde nicht das, wonach Carol und er suchten.
    »Sieht wie ein mythisches Idiom aus«, sagte Martin. »Eine Endlosschleife. Versucht was anderes.«
    »Keine Türen nach draußen«, ergänzte Carol.
    »Noch eine stärkere Frequenz«, meldete Margery. »Ich schalte auf eine andere Stelle, einen anderen Kanal in einem tieferen Cluster um.«
    Eine Öffnung. Ein Gefühl von unermeßlicher Weite. Hier war etwas, das unzweifelhaft nach der Herausbildung der Persönlichkeit erworben worden war, vielleicht sogar aus den Erlebnissen der Jugendzeit. Ein Eindruck von drei endlosen Highways, die nebeneinanderher durch eine sonnengebleichte Wüste verliefen. Kahle Sandverwehungen. Martin konzentrierte sich darauf, dieses Bild zu erforschen, das zu nehmen, was ihm übermittelt wurde, und zu kontrollieren, worauf er seinen Blick richten konnte, immer einen Punkt nach dem anderen. Das bewirkte eine schwindelerregende Justierung des Bildes, und er fand sich auf dem mittleren Highway wieder. Er spürte weder das Gewicht seines Körpers, noch hatte er das Gefühl, wirklich dort zu sein; die Sonne strahlte mit jener düsteren Helligkeit, die für die Landschaft charakteristisch war, aber sie wärmte ihn nicht.
    Martin blickte an sich hinunter. Er hatte ausgeblichene Jeans, ein weißes Arbeitshemd mit Farbflecken und die Laufschuhe aus seiner Kinderzeit an. Diese Kleidung hatte er früher schon in der Landschaft getragen.
    »Wir schalten jetzt die subverbale Querverbindung ein«, sagte Margery. Ihre Stimme klang fern und hohl. »Gebt uns Bescheid, wenn ihr raus wollt.«
    Von jetzt an würden Martin und Carol nicht mehr laut sprechen, bis der Test abgeschlossen war.
    | Carol?
    Ein Eindruck von etwas Riesigem über ihm, wie ein herabstürzender Asteroid. Eine weitere Persönlichkeit: Carol.
    | Bin schon bei dir.
    Sie erschien neben ihm auf der Straße, verschwommen, nur ein Gespenst in diesem Stadium. Erst wenn eine vollständige Schleife stand, würden sie einander deutlich sehen, und selbst dann würde das, was sie sahen, nicht unbedingt dem jeweiligen Selbstbild entsprechen.
    | Das sieht durchaus überzeugend aus, sagte Martin. Ich denke, wir können es als Einstiegskanal benutzen.
    | Willkommen daheim, sagte Carol.
    Martin machte die Augen auf. Die Bilder vom Highway und vom Hörsaal prallten einen Moment lang aufeinander, dann verblaßte die Landschaft wie der letzte zarte Hauch eines Traums. Albigoni stand in der Galerie über dem Hörsaal, die Hände in den Taschen. Lascal saß hinter seinem Arbeitgeber; seine Füße waren auf dem Geländer zu sehen.
    »In Ordnung«, sagte Martin. »Wir nehmen diese Stelle und diesen Kanal. Ihr könnt uns dann auch gleich in einen gesunden, tiefen Schlaf wiegen, während ihr die Punkte fixiert und die Feinabstimmung vornehmt.«
    Margery beugte sich über ihn. Sie kniff die Augen zusammen und schaute auf die Connector-Anzeige. »Alles bestens«, sagte sie. Erwin trat an Carols Couch.
    »Wie lange dauert’s noch, bis wir rein können?« fragte Carol.
    »Drei Stunden, bis wir die Frequenzen fixiert und eingetragen haben«, antwortete Margery. »Jetzt ist es fünf nach halb zwölf.«
    »Wird eine lange Nacht werden«, sagte Martin. »Weckt uns um

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