Königin der Engel
nie reinen Scotch getrunken«, sagte Richard.
»Reinen Single Malt.«
– Alles gespeichert. Wieviel davon ist wirklich passiert? Erfinde ich das im Traum? Ich weiß noch daß mich Goldsmith besucht hat. Zwei Wochen danach. Vielleicht anderthalb.
Goldsmith schenkte beide Gläser voll und gab eins davon Richard. »Auf die Bürger des Schattens, der länger wird, wenn der Abend dämmert.«
»Auf die Götterdämmerung.« Richard probierte den Scotch. Er war rauchig und weich und unerwartet verführerisch. »Ich glaub nicht, daß ich mich besaufen will. Wär mir ein Leichtes, meinen Kummer in dem Zeug zu ertränken.«
»Ich hab nur eine Flasche gekauft, aber nicht, um deinen Kummer da drin zu ertränken«, sagte Goldsmith. »Aus dir wird eh nie ein Trinker. Du wirst es nicht glauben, Dick« – nur Goldsmith nannte ihn Dick – »aber du bist ein Mensch mit ziemlich klarem Kopf. Einer der wenigen unter meinen Bekannten.«
»Von wegen klar. Da drin geht im Moment alles drunter und drüber.«
»Du hast einen schrecklichen Schlag erlitten«, sagte Goldsmith leise. »Wenn ich du wäre, würde ich Tränen pissen.«
Richard zuckte die Achseln.
»Du hast die Wohnung seit einer Woche nicht mehr verlassen. Du hast nichts zu essen. Harriet kauft gerade was für dich ein.«
– Harriet, Harriet… Goldsmith hatte mal eine Freundin dieses Namens gehabt.
»Ich brauche keine Hilfe«, sagte Richard.
»Dummes Zeug.«
»Wirklich nicht.«
»Wir müssen dich hier rausschaffen an die Sonne, soweit uns die Mistkerle noch welche gelassen haben. Wir fahren zum staatlichen Strand. Ein bißchen frische Luft schnappen.«
»Bitte.« Richard wedelte mit der Hand. »Ich bin schon okay.«
– Wir beide so jung. Ich sehe ihn so wie er damals war heiter glücklich und erfolgreich. Er wollte daß jeder glücklich ist.
»Das Leben geht nun mal weiter«, erklärte Goldsmith. »Wirklich, Dick. Harriet und ich, wir mögen dich. Wir möchten sehen, daß du dich von der Sache erholst. Dione war nicht mal deine Frau, Dick.«
Richard sprang auf, bis aufs äußerste erregt. »Herrgott nochmal! Die Scheidung ist – war nicht endgültig, und Gina wird immer meine Tochter sein. Willst du mir alles wegnehmen? Selbst meinen…« Heftige Handbewegungen. »Alles, was mir geblieben ist. Meinen gottverdammten Schmerz.«
»Nein. Ich nehm ihn dir nicht weg. Wie lange kennen wir uns nun schon, Dick?«
Richard antwortete nicht. Er stand zitternd da, die Hände zu Fäusten geballt.
»Zweieinhalb Monate«, antwortete Goldsmith für ihn. »Ich schätze, du bist jetzt schon vielleicht der beste Freund, den ich je hatte. Ich kann’s einfach nicht ertragen zu sehen, wie das Leben einen fertigmacht. Besonders, wenn du’s bist.«
»Da muß ich nun mal durch.«
»Ich hab nie geheiratet. Ich könnte es nicht ertragen, was so Wichtiges zu verlieren. Ich glaube, es würde mich umbringen. Vielleicht bist du stärker als ich.«
»Blödsinn«, sagte Richard.
»Ist mein Ernst. Innen drin bin ich nicht stark. Ich schau dich an, und du bist wie ein Fels. Ich bin innerlich nur Lehm. Das hab ich schon immer gewußt. Ich finde mich damit ab.« Goldsmith stand auf, hob die Arme und drehte sich einmal im Kreis, damit Richard ihn von allen Seiten sehen konnte. »Ich sehe massiv aus, oder?«
»Hör auf damit, bitte.« Richard senkte den Blick. »Ich werd schon nicht verhungern, aber im Moment brauch ich deine Hilfe nicht. Es ist mir einfach egal.«
Goldsmith setzte sich hin. »Harriet meint, jemand sollte hier schlafen, um dir Gesellschaft zu leisten.«
»Hier hat seit fünf Monaten niemand mehr geschlafen. Ich war allein, außer…« Er sprach den Satz nicht zuende. Goldsmith wartete.
»Ist gut«, sagte Goldsmith.
»Wenn Gina.«
»Ja.«
Richard setzte sich und nahm das Glas in die Hand. »Hier war.« Er nahm noch einen Schluck. »Ich komm schon wieder in Ordnung.«
»Ja«, sagte Goldsmith. »Denk nicht, daß du uns egal bist. Mir liegt was an dir. Und Harriet auch. Uns allen.«
»Ich weiß«, sagte Richard. »Danke.«
»Ich bleib hier, wenn du willst.«
»Gut, der Scotch. Vielleicht kann ich doch zum Trinker werden.«
»Nein, Bruder, du willst dich doch nicht mit diesem Scheißzeug kaputtmachen.« Goldsmith hob die Flasche, stand auf und kam zu ihm. »Gib mir dein Glas. Ich werf’s weg. Zur Hölle mit den Feiern.«
Richard widerstand seinen Versuchen, ihm das Glas wegzunehmen. Goldsmith trat zurück, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und schaute zu den
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