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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Sir.«
    »Oh.«
    »Er hat dieses Hotel sehr gemocht. Mr. Albigonis Vater hat vieles davon hier kopiert.«
    Der Wagen bog auf eine hohe, breite Zufahrt ein, und Martin beugte sich vor und bestaunte eine Ziegeltreppe mit Messinggeländern, die zu einer großen Tür aus Glas und Holz mit bemalten und weiß gestrichenen Holzteilen hinaufführte. Er stellte sich vor, wie das Rohmaterial vor Jahrzehnten mit schweren Maschinen kreischend aus Wäldern geschleift worden war; dies hier kam vielleicht aus Brasilien oder Honduras, jenes dort aus Thailand oder Luzon, Holzfleisch, das von gewaltigen mechanischen Kiefern gefällt, von Drahtbürstenmägen entrindet, an Ort und Stelle zu Bauholz zersägt, getrocknet und mit einer Leimbinde versehen, sortiert, an den abgetrennten Enden angestrichen, verpackt und verschifft worden war.
    Martin mochte Holzmöbel nicht. Er hatte die Eigenheit, in Pflanzen und besonders in Bäumen ein höheres Bewußtsein zu spüren, unkompliziert und unergründlich; kein Geist kein Ich keine Landschaft, aber die simpelste vorstellbare Reaktion auf das Leben: Wachstum und Sex ohne Ekstase oder Schuldgefühl, Tod ohne Schmerz. Von diesen Ansichten sagte er keinem etwas; sie gehörten zu seinem geheimen Muschelhaufen privater Gedanken.
    Paul Lascal kam die Treppe herunter und blieb neben dem Wagen stehen, als sich die Tür mit einem Zischen öffnete. Er streckte die Hand aus, und Martin schüttelte sie, während er immer noch die Holzteile betrachtete. Sein Mund stand offen wie der eines staunend gaffenden Kindes.
    »Schön, Sie an Bord zu haben, Dr. Burke.«
    Martin nickte höflich. Er steckte die Hand, die Lascal wieder losgelassen hatte, in die Tasche und fragte ruhig: »Wohin?«
    »Hier entlang. Mr. Albigoni ist im Arbeitszimmer. Er hat alle Arbeiten von Ihnen gelesen.«
    »Gut«, sagte Martin, obwohl es sich in Wirklichkeit um eine neutrale Information handelte; es war nicht nötig, daß Albigoni etwas davon verstand. Er würde nicht in die Landschaft gehen. »Ich habe Carol getroffen«, erklärte er Lascal in einem geräumigen, dunklen Flur mit Granitboden und Gewölben Kragstücken Säulen aus Holz, exotischem Holz, Mahagoni Teufelsauge Ahorn Teak Walnuß und anderen, die er nicht identifizieren konnte, die jedoch auf ihre Art ebenso skandalös waren wie die Felle ausgestorbener Tiere, obwohl die Bäume natürlich nicht ausgestorben waren. Die Zeit, in der man sie gefällt und verarbeitet hatte, war eine schlimme Zeit gewesen, eine sündige Zeit, aber die Bäume hatten überlebt und gediehen jetzt. Neues, auf Farmen gezüchtetes, genetisch verändertes Holz war billig und wurde deshalb von den Reichen kaum verwendet. Diese bevorzugten nun künstliche Materialien, die aufgrund der Kosten für ihre Herstellung und der dabei aufgewendeten Energie selten waren. Albigonis Haus gehörte zu jenen, die zwischen dem Zeitalter der Völlerei und dem Zeitalter des proletarischen Überflusses gefangen waren.
    Lascal hatte etwas gesagt, was er nicht gehört hatte. »Pardon?«
    »Sie ist eine hervorragende Forscherin«, wiederholte Lascal. »Mr. Albigoni freut sich sehr, daß Sie beide für ihn arbeiten.«
    »Ja. Nun gut.«
    Lascal ging ihm voran ins Arbeitszimmer: mehr Holz, dunkel und Bücher en masse, vielleicht zwanzig- oder dreißigtausend Bände, der dicke, süße Staubgeruch von altem Papier, wieder Holz, Alter und hinausgezögerter Verfall.
    Albigoni saß in einem massiven Eichensessel vor einer Tafel. Rotierende Schaubilder menschlicher Gehirne im Querschnitt, rostral, kaudal und ventral, liefen über die Tafel. Er hob langsam den Kopf und zwinkerte wie eine Echse. Sein Gesicht war blaß und alt vor Kummer. Gut möglich, daß er seit ihrer letzten Begegnung nicht geschlafen hatte.
    »Hallo«, sagte Albigoni mit klangloser Stimme. »Danke, daß Sie zugestimmt haben und gekommen sind. Wir haben nicht viel Zeit. Von übermorgen an steht uns das IPR offen, und alles, was Sie brauchen, wird Ihnen zur Verfügung stehen. Da sind ein paar Punkte, die ich mir zuvor gern erklären lassen würde.«
    Lascal zog einen Stuhl nach vorn, und Martin setzte sich. Lascal blieb stehen. Albigoni drehte sich mit den Ellbogen auf den Armlehnen herum und beugte sich vor wie ein alter Mann – breites römisches Patriziergesicht, Lippen, die früher einmal ungezwungen gelächelt hatten, freundliche Augen, die jetzt leer waren. »Ich lese gerade über Ihren Dreifachfokusrezeptor. Er fängt mittels spezieller neurologischer

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