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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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beobachtete sie von der Tür aus, wobei er mit einer Hand einen schlichten Morgenmantel zuhielt, der jedoch aus echter roter Seide war und ihm bis zu den Schenkeln ging. »Gefällt er dir?«
    »Er ist wunderschön«, sagte sie.
    »Er gehört dir. Wenn du den schwarzen Hintergrund nicht leiden magst, hast du zwei andere Farben zur Auswahl. Sag einfach >Grün bitte< oder >Braun bitte<.«
    »>Grün bitte<.«
    Der Morgenmantel strudelte vom Saum bis zum Ausschnitt und wurde dunkelgrün.
    »>Braun bitte<.«
    Und dann sonnig walnußbraun.
    »Er ist mehr als schön.« Sie hatte einen Kloß im Hals. »Er hat meine Größe und paßt mir wie angegossen. Du hast ihn speziell für mich gewoben.«
    »War doch wohl das mindeste«, sagte Ernest, verbeugte sich leicht und ging rückwärts hinaus. »In fünf Minuten gibt’s Frühstück.«
    Mary erkannte nur ein Nanomagazin und den Ofen, der komplizierter aussah als ihrer. Sie hätte nicht gewagt, etwas anzufassen. Seine Küche war ein Wunderwerk aus speziell angefertigten und experimentellen Geräten, alle aus Industrieabfall oder Teilen zusammengebaut, die er im Tausch gegen seine Kreationen bekommen hatte.
    Sie hatte keine Ahnung gehabt, welche Wege Ernest mit seiner Kunst beschritten hatte; sie hatte einfach nur gewußt, daß er niemals prahlte oder sich mit seiner Arbeit brüstete, nie etwas verriet und nie unter Geldmangel litt, ganz im Gegensatz zu den paar anderen Künstlern, die sie kannte. »Arbeitest du noch an anderen Kleidungsprojekten?«
    »Nein.« Er stand nachdenklich vor den Nanonahrungsgeräten, setzte sich dann auf einen alten Holzhocker vor einem Geschmacks-, Formen- und Farbenbrett und bereitete mit geschickten Bewegungen ihr Frühstück zu. »Ich mußte bloß einen neuen Satz speziell angefertigter Proteine testen. Flachstoffwirker und Kohlehydratmanipulatoren. Die sind bei der Stoffherstellung ziemlich verbreitet. Seidenimitat ist kein Problem.«
    »Aber die Statikbilder…«
    »Sowas siehst du doch nicht zum erstenmal.«
    »Die Auflösung ist erstaunlich.« Sie nahm den Stoff am Kragen des Morgenmantels zwischen Daumen und Zeigefinger. Die Reißzähne des Drachen streiften ihren Daumen von unten, körnige Rohseide. »Erstklassige Arbeit.«
    »Der Drache hat sechzig Verhaltensweisen«, sagte er, während er immer noch an dem Brett werkelte. »Man weiß nie, was er als nächstes tut. Du kannst ihm nur befehlen, sich nicht zu rühren. Ansonsten ist er ungezähmt, wie es ein Drache ja auch sein sollte.«
    Das Frühstück baute sich im Ofen rasch auf. Ein Film aus rötlichem Nano zog das Material aus Dellen und seitlichen Mulden in dem Glasgefäß und ging wie Brot im Backofen auf. In den meisten Küchen bereitete sich die Nanonahrung unsichtbar zu; nicht so bei Ernest.
    Nach drei Minuten rollte sich der rote Film weg und enthüllte dünne braune Scheiben mit brotähnlicher Struktur Bücklinge Apfelmus Rühreier mit grünen und roten Flecken. Der Ofen erhitzte alles automatisch auf die gewünschte Temperatur, öffnete dann die Klappe und ließ das Essen herausgleiten, damit sie es sich ansehen konnten.
    »Riecht wundervoll«, sagte sie. »Viel besser als gekauftes.«
    »Ich überlege, ob ich gewisse Einschränkungen für mein Küchennano aufhebe. Mal sehen, was passiert. Aber mit Gästen mache ich keine Experimente.« Ernest zog zwei Stühle unter einem uralten Holztisch hervor. Er schenkte frischen Orangensaft aus einem Saftbehälter ein, und sie setzten sich, um zu frühstücken.
    »Das war reine Show, stimmt’s?« fragte sie leise, während sie die Eier kostete. »Du kannst dir all diese Sachen zuchtfrisch leisten.«
    »Würdest du den Unterschied merken?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Was soll’s dann? Nano ist billiger. Ich bin ein guter Koch.«
    Mary grinste. »Reine Show.«
    »Na ja, du hast mich gefragt«, sagte Ernest.
    »Ich hoffe, das ist nicht alles, was du mir zeigen wirst.«
    »Nein. Ich halte mein Versprechen. Ein großes Projekt. Mein größtes bisher.«
    »Erst, wenn du was für deine Freunde im West-Comb Zwei gemacht hast.«
    »Das ist schon fertig. Die werden gar nicht merken, daß es Abfall von meiner letzten Ausstellung ist. Sie haben keinen Geschmack, ebensowenig wie ihre Finanzberater. Sie werden’s fünf Jahre lang aufheben und hoffen, daß es im Wert steigt, dann werden sie’s auf einem übersättigten Markt abstoßen… und nichts dafür kriegen.«
    »Dann steigen sie dir aufs Dach.« Sie machte sich ernsthaft Sorgen, daß sie das tun

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