Koenigin der Meere - Roman
Schluck Brandy, den er gefunden und den anderen vorenthalten hatte.
Plötzlich krachte es. Dann ein Ruck, und die Bladen kam in einer Tiefe von etwa fünf Metern in einem Winkel von fünfundvierzig Grad zum Stillstand. Es wankte kurz und neigte sich dann zur Steuerbordseite. Virgin rannte an Deck
»Verflucht! Wir sind auf ein Riff aufgelaufen!«
Die Korallen hatten ein tiefes Loch in den Rumpf gerissen. Der Zimmermann schnappte sein Werkzeug aus dem Unterdeck und beeilte sich, an Deck zu kommen. Virgin kam ihm auf der Treppe entgegen.
»Da ist nichts zu machen, das kriege ich hier an Ort und Stelle nicht dicht, das Loch ist zu groß, der Wasserdruck zu stark«, beantwortete der Zimmermann die Frage, bevor Virgin sie gestellt hatte.
Virgin befahl, den Reserveanker in eines der Beiboote zu hieven und ihn möglichst weit weg vom Schiff ins Meer zu werfen. Kaum war das geschehen, versuchten die Männer an Bord mit vereinten Kräften, das Schiff von dem Riff weg zum Anker hinzuziehen. Doch die Schieflage der Bladen war zu groß, sie bewegte sich keinen Zentimeter.
Der Mannschaft blieb nichts anderes übrig, als die Beiboote zu beladen und das berstende Schiff zu verlassen.
Die Männer der Juliana dümpelten seit Tagen orientierungslos auf dem Meer. Rackham saß am Ruder und beobachtete den Himmel. Die Sturmwolken hatten sich verzogen, doch ohne Kompass gelang es ihm
nicht, die Position zu bestimmen. Seine Hand pochte und schmerzte. Die Wunde brannte wie Feuer, noch immer sickerte Blut durch den notdürftigen Verband. Stunden vergingen. Anne kauerte neben Calico auf den Planken. Völlig durchnässt und erschöpft spürte sie, wie die ersten Sonnenstrahlen die Kleidung trockneten. Hemd und Hose klebten am Körper, eng und salzig. Sie stand auf, ging zum Bug und stellte sich gegen den Fahrtwind. Mit geschlossenen Augen reckte sie das Gesicht gen Himmel und betete, dass Jubilo das Unwetter heil überstanden haben möge.
Ein feuchter Klatsch auf der Stirn schreckte sie aus ihren Gedanken. Sie wischte mit der Hand über ihr Gesicht und fühlte eine klebrig-schleimige Masse zwischen den Fingern.
»Vogelscheiße!« Jubelnd lief sie zu Rackham.
»Calico! Das ist Vogelscheiße. Und wo Vögel sind, ist auch Land!« Triumphierend hielt sie ihm ihre schmutzige Hand entgegen. Rackham übergab ihr das Steuer, ging an die Reling und suchte den Horizont ab. In der Ferne zeichnete sich ein winziger schwarzer Punkt im Meer ab.
»Kurs halten! Furzdonnerschlag!«, brüllte Rackham, sodass man ihn auch auf den anderen Booten hören konnte.
Am späten Nachmittag erreichten sie die kleine Insel. Die vier Boote umrundeten das Eiland und fanden eine versteckte Lagune. Rackham segelte als Erster in die Bucht. Das Ufer sah unbewohnt aus. Die Piraten sprangen ins flache Wasser und zogen die Boote an Land. Auch hier hatte der Sturm seine vernichtende Spur hinterlassen. Überall lagen Äste und Korallenstücke. Die Hälfte der Männer trug das, was sie aus dem Rumpf der Juliana hatten retten können, an den Strand, mit den anderen ging Anne ins Innere der Insel und machte sich auf die Suche nach frischem Wasser. Rackham saß mit dem Rücken an eine Pinie gelehnt und hatte die Augen geschlossen. Sein Gesicht war grau und eingefallen, die Lippen zusammengekniffen. Anne sah, dass ihm die Strapazen der vergangenen Tage schwer zugesetzt hatten.
Der erste Eindruck hatte nicht getrogen, die Insel war unbewohnt. Fußspuren von Tieren zeigten, dass es Wasser geben musste. Anne führte den kleinen Trupp, der sich auf die Suche machte. Der Weg
war weit. Die Sonne stand tief und färbte Himmel und Meer blutrot, als Anne sich zu Wort meldete.
»Es hat keinen Sinn, jetzt aufs Geratewohl weiterzulaufen. Nicht mehr lange, und es wird dunkel. Lasst uns umkehren und ein Lager aufschlagen. Wir schlafen ein paar Stunden und fangen morgen von vorne an.« Die Männer berieten ihren Vorschlag und folgten ihm schließlich. Als sie zurück zum Strand kamen, loderte ein Feuer in der Dunkelheit. Die Piraten hielten Fische, die sie in der Lagune gefangen hatten, an langen Stöcken über die Flammen. Anne musste unwillkürlich an Bojo und seine Kinder denken und lächelte. Dann sah sie Calico, der abseits von den anderen, in sich zusammengesunken noch immer an der Pinie lehnte und kein Lebenszeichen von sich gab. Sie ging zu ihm und erkannte sofort, dass er hohes Fieber hatte. Sie lief zum Feuer und deutete auf ein kleines Fass.
»Ist das alles, was wir zu
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