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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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der Männer. Wie besessen versuchten sie, die mächtige Beute zu erlegen.
    Niemand achtete darauf, dass sich am Horizont dunkle Wolken zu bedrohlichen Gebirgen auftürmten. Vorboten eines jener Stürme, die urplötzlich aus dem Nichts auftauchen und alles mit sich reißen. Rackham lag in seinem Bett und spürte den veränderten Wellengang. Unruhig verließ er die Kajüte und ging an Deck. Der Ausguck war nicht besetzt, die Männer hingen über der Reling und waren noch immer damit beschäftigt, die Seekuh zu fangen.
    Rackham rieb sich die Augen. War das, was er sah, eine seiner Opiumhalluzinationen? Die dunklen Wolken am Horizont hatten sich zu einer schwarzen Wand zusammengeschoben. Die Luft war feucht und stickig, Rackham stützte sich auf eine Kiste und schrie so laut er konnte: »In die Wanten, Segel reffen! Hoch mit euch, ihr Affen! Sieht denn keiner von euch, dass wir direkt auf einen Sturm zusteuern!«
    Binnen Sekunden kletterten die Männer in die Takelage und holten die Segel ein. Virgin erstickte fast an seiner Wut auf sich selbst. Die Tatsache, dass auch er sich der Jagd auf die Seekuh gewidmet hatte, statt auf das Wetter zu achten, entfernte ihn von seinem Ziel, Rackham zu entmachten. Die Schiffe versuchten vergeblich, dem Sturm zu entkommen.
    »In ein paar Minuten sind wir mittendrin, und dann gnade uns Gott!« Rackham wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Das Wasser änderte die Farbe. Das klare Blaugrün wich einem tiefen Violett und wurde schließlich schwarz. Die Wellen wurden immer höher, ihre weißen Gischtkronen klatschten gegen den Rumpf der Juliana
und drängten die Shelter ab. Wie eine mächtige, unsichtbare Hand schob der Wind die beiden schwankenden Galeonen vor sich her. Kisten, Säcke und Segelballen rutschten über das Deck. Die Mannschaften hatten alle Hände voll zu tun, sie zu vertäuen. Inzwischen brüllte der Sturm so laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstand. Die Wellen schlugen über Deck zusammen und rissen mit sich, was nicht rechtzeitig befestigt worden war. Schwere Kisten flogen wie Papierfetzen über Bord und verschwanden in den brodelnden Wassermassen.
    Am Horizont entdeckte Anne einen dunklen senkrechten Streifen, der die Wolken mit den tosenden Fluten verband. Aus Erzählungen wusste sie, was geschah, wenn ein Schiff von einer Wasserhose ergriffen wurde. Das Ungetüm tanzte vor ihren Augen mit beängstigender Eleganz. Wäre die Gefahr nicht so deutlich spürbar gewesen, Anne hätte seine Anmut bewundert. Der grauschwarze Wirbel reichte vom Meer bis in den Himmel und schwankte wie ein lockendes Lebewesen hin und her. Mit atemberaubender Geschwindigkeit raste die Wasserhose auf die Schiffe zu. Anne grauste vor der ungeheuren Kraft, die sich da vor ihren Augen austobte. Das immer lauter werdende Geheul, das der Naturgewalt vorauseilte, war nur ein kleines Zeichen ihres Wütens. Wenn die Schiffe von dieser Kraft getroffen würden, war alles vorbei, sie würden einfach zerschmettert. Anne schloss die Augen und versuchte zu beten. Geist und Körper gehorchten ihr nicht mehr. Atemlos starrte sie auf den Wirbel, der eine mächtige Woge gischtenden Wassers vor sich hertrieb. Der hochgeschleuderte Schaum des Brechers fiel bereits auf ihre Lippen und Augen. Sie schmeckte das salzige Wasser. Eine gewaltige Flutwelle hob die Juliana hoch und warf sie ein Stück weiter wieder herunter. Überall war Wasser. Schwarze Wellen mit großen Schaumkronen schlugen auf das Schiff ein und spülten die Männer von einem Ende des Decks zum anderen.
    Das Unwetter hatte die beiden Schiffe voneinander entfernt. Vage konnte Anne das Sklavenschiff in der Ferne erkennen und sah mit Entsetzen, dass die Bladen auf der Seite lag und zu kentern drohte. Jubilo war an Bord, und sie konnte ihm nicht helfen. Sie schrie seinen Namen aus Leibeskräften, wissend, dass er sie nicht hören konnte.
    Auch an Bord der Bladen herrschten Angst und Schrecken. Als erkennbar
wurde, dass es keine Flucht vor der Bedrohung gab, brüllten die Männer in wildem Chaos durcheinander und versuchten zu retten, was nicht mehr zu retten war. Jubilo hatte die Schlüssel für die Ketten der Sklaven an sich gebracht und war unter Deck gelaufen. Mit fliegenden Fingern öffnete er die Schlösser und scheuchte die befreiten Männer und Frauen nach oben. Das Durcheinander an Deck war so groß, dass Virgin keine Zeit hatte, den Jungen für sein eigenmächtiges Handeln zu bestrafen. Wie die Besatzung, versuchten auch die Sklaven

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