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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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nicht dienen.« Sie hielt ihm den hölzernen Napf entgegen. Calico presste eigensinnig die Lippen zusammen und schloss die Augen.
    »Was ist mit meiner Hand?«, fragte er schließlich, und Anne hörte die Angst in seiner Stimme.

    Sie brachte nicht den Mut auf, ihm die Wahrheit zu sagen, und antwortete vage: »Du wirst wieder gesund.«
    Doktor Hamilton reduzierte die Opiumdosis täglich ein wenig mehr. Rackham begann wieder zu essen, kam zu Kräften und ertrug klaglos seine Schmerzen. Wenn der Arzt seinen Verband wechselte, drehte er den Kopf zur Seite und weigerte sich, seine Hand anzusehen.
    Der Arzt hatte Anne beiseitegenommen.
    »Wir müssen es ihm sagen. Wir können ihn nicht länger in dem Irrglauben lassen, dass alles wieder so wird wie früher. Je länger wir warten, umso schlimmer wird es für ihn.«
    Die Dämmerung senkte sich über das Lager, auf drei Feuern brieten Fische und Fleisch. Rackham blähte die Nasenflügel.
    »Wenn ich das rieche, kriege ich Hunger.« Er lächelte. Anne kniete sich neben ihn.
    »Calico.« Sie räusperte sich. »Calico, ich muss dir etwas sagen. Hamilton hat dir das Leben gerettet.« Rackham nickte.
    »Ich weiß, ich weiß. Hab keine Sorge, ich werde ihn reich belohnen.«
    »Nein, Calico, darum geht es nicht. Er hat dir das Leben gerettet, aber er hat deine Finger nicht retten können.« Rackham sah sie ungläubig an. Dann hob er seinen verbundenen Arm. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
    »Wie viele sind es noch?«, fragte er heiser.
    »Daumen und Zeigefinger sind dir geblieben.« Rackham biss sich auf die gesunde Faust.
    »Hast du mir gerade gesagt, dass dieser Quacksalber mir drei Finger meiner rechten Hand genommen hat? Hast du mir gerade gesagt, dass ich, Calico Jack Rackham, den Rest meines Lebens als Krüppel verbringen werde?« Seine Stimme kippte. »Warum habt ihr mir das angetan? Warum habt ihr mich nicht einfach sterben lassen?« Anne saß schweigend neben ihm.
    »Verschwinde! Hau ab und lass mich allein!«, herrschte Calico sie an. Seine Augen waren schwarz vor Wut.
    Als Anne am nächsten Morgen aufstand, war Rackhams Lager leer. Niemand hatte ihn gesehen. Niemand wusste, wo er war.
    »Das ist der Schock«, versuchte Hamilton sie zu beruhigen. »Er
wird wieder auftauchen. Er ist viel zu schwach, um sich alleine durchzuschlagen.«
    »Eben, deswegen mache ich mir ja solche Sorgen. Was ist, wenn er sich etwas antut? Ich gehe ihn suchen.« Gemeinsam mit Jubilo und Kisu machte sie sich auf den Weg.
    Rackham hatte das Lager mitten in der Nacht verlassen. Die Nähe all dieser gesunden Männer, die vollständig über ihre Gliedmaßen verfügten, ertrug er nicht. Noch weniger ertrug er die Angst vor Spott und Hohn, die sich über ihn ergießen würden, wenn erst einmal ruchbar wurde, dass er ein Krüppel war. Was für eine Schmach, drei Finger der rechten Hand bei einem Unwetter eingebüßt zu haben. Wenn es wenigstens ein Kampf, ein Duell gewesen wäre. Aber nein! Ein Mast! Ein lächerliches Stück Holz hatte ihn für immer verstümmelt. Ziellos stolperte er durch den dichten Dschungel, bis er im Morgengrauen erschöpft zusammenbrach. Auf dem feuchten Boden liegen zu bleiben war unwürdig, Mit letzter Kraft stemmte er sich hoch und kroch ins Dickicht.
    Unterholz und herabhängende Zweige zerkratzten ihm das Gesicht, seine Hand pochte, in seinen Ohren rauschte es. Rackham schleppte sich zu einem Felsvorsprung und wollte sich gerade anlehnen, als er rechts von sich eine Öffnung sah. Noch einmal mobilisierte er alle Reserven und kroch in das schwarze Loch. Der Eingang war schmal wie ein Schlot, doch dahinter öffnete sich ein kleiner Raum, gerade groß genug, um sich darin auszustrecken. Rackham legte sich auf den nackten Boden und schlief ein.
    Am Abend kehrten Anne und die Kinder unglücklich ins Lager zurück.
    »Wir haben ihn nicht gefunden. Männer, hört her! Wer will, geht morgen erneut mit mir auf die Suche. Ich gebe meinen Anteil aus der Lösegeldkiste dem, der unseren Kapitän lebend wiederfindet.« Die Piraten applaudierten.
    Nach drei Tagen vergeblicher Suche war es ausgerechnet Henry Virgin, der Rackham in seiner Höhle aufspürte. Abgeknickte Zweige und eine Spur im Unterholz wiesen ihm den Weg zu der Öffnung im Fels. Der Kapitän lag noch immer auf dem Boden und rührte sich nicht. Virgin legte die Hand auf Rackhams Brust und spürte den
Herzschlag. Calico Jack öffnete mühsam die Augen, war aber zu schwach, ein Wort hervorzubringen. Wenn ich ihn liegen

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