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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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zurückkommen, vielleicht sind die beiden dann ein Paar.«
    Plötzlich stand Otis Finch vor ihnen. Er war betrunken, schwankte bedrohlich und lallte: »Bonny, ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich hab’s nicht geglaubt. Und bei dir auch Read. Ich hab’s nämlich nicht geglaubt.« Dann drehte er sich unvermittelt um und urinierte gegen den nächsten Baum. Mary runzelte die Stirn.
    »Trau ihm nicht. Er und Virgin sind gefährlich. Sie haben uns das Leben schwergemacht mit ihrer Aufsässigkeit. Virgin wird weiterhin versuchen, die Macht an sich zu reißen, und Finch wird ihn unterstützen.«
    »Virgin habe ich im Griff. Er ist mir was schuldig«, murmelte Anne und nahm einen Schluck aus ihrem hölzernen Becher.
    Die ersten Vögel regten sich in den Ästen, die Feuer glommen nur noch leise, die Piraten lagen in tiefem Schlummer. Rackham schlief in der Nähe der Quelle. Unter dem Kopf hatte er ein Stück zusammengerolltes Segeltuch und schnarchte. Anne, die dem Rumgemisch im Lauf des Abends ordentlich zugesprochen hatte, war so angetrunken gewesen, dass sie alle Vorsichtsmaßnahmen vergessen und sich neben ihn gelegt hatte. Calico rollte sich im Schlaf zur Seite und legte einen Arm über ihre Brust. Anne schmiegte sich an ihn und küsste ihn auf den Hals. Benommen erwiderte Calico ihre Zärtlichkeit. Das Paar war so beschäftigt miteinander, dass sie nicht bemerkten, dass sie beobachtet wurden.

    Von Durst geplagt war Henry Virgin an die Quelle gekommen und mit einem Schlag hellwach, als er sah, was sich hinter den Bäumen abspielte. Er schlich näher an Rackham und Anne heran. Noch zwei Schritte, und er würde es genau erkennen. Er hielt den Atem an. Es gab keinen Zweifel.
    »Der Kerl ist ein Weib. Wusste ich doch, dass da was nicht stimmt«, knurrte Virgin leise und rieb sich die Hände. Möglicherweise ließ sich auf zweierlei Weise Kapital aus der Sache schlagen. Wenn Bonny die Beine für Rackham breit machte, würde er dafür sorgen, dass sie auch ihm zu Willen war. Und auf hoher See würde er der Mannschaft stecken, dass Rackham die ganze Zeit ein heimliches Verhältnis und eine Frau an Bord gehabt hatte. Die Tage des Kapitäns waren gezählt.
     
    Am späten Vormittag hatten die Piraten ihren Rausch vom Vorabend ausgeschlafen und sammelten ihre Habseligkeiten zusammen. Verkatert, aber voller Vorfreude, machten sie sich auf den Weg zum Strand. Virgin pfiff anerkennend durch die Zähne, als er die Neptun betrat. Bonny mochte ja ein Weib sein, aber sie war doch ein ganzer Kerl. So ein Schiff mit ein paar Männern zu stehlen und so perfekt mit allem auszustatten. Er gestand es sich nur ungern ein, aber es nötigte ihm Respekt ab.
    Die Segel der Neptun blähten sich im Wind. Drei Tage später kam ein Segler in Sicht. Die britische Fahne war weithin erkennbar. Rackham, der in seiner Kajüte einen Krug Rum fast bis zur Neige geleert hatte, kam an Deck und übernahm das Kommando. Als die Engländer erkannten, dass sie von Piraten verfolgt wurden, ergaben sie sich ohne einen Schuss.
    Virgin und Finch enterten die Pleasure als Erste und nahmen den Kapitän als Geisel.
    »Calico. Du musst rüber und verhindern, dass Virgin wieder so ein grausames Schauspiel aufführt wie auf dem Sklavenfrachter«, flüsterte Anne, während die Besatzung das britische Schiff stürmte. Rackham nickte. Mit seiner verstümmelten Hand konnte er keinen Degen und kein Messer halten, und mit der ungeübten Linken fühlte er sich unsicher.
    »Die Leute haben um Pardon gebeten und sollen Pardon bekommen.
Wer sich uns anschließen will, ist herzlich willkommen, den Rest setzen wir in die Beiboote. Das Schiff nehmen wir mit!«, rief er zu Virgin hinüber, der den Kapitän unwillig freiließ. Anne stand neben ihm, achtete darauf, dass er ihm kein Leid zufügte, und versuchte, ihn abzulenken: »Virgin. Wir brauchen einen anständigen Segelmacher. Brown kann die Arbeit unmöglich allein schaffen. Frag den Kapitän nach seinem Segelmacher, den nehmen wir auf jeden Fall mit.« Virgin bedachte sie mit einem verächtlichen Blick. Wenn dieses Weibsstück wüsste, was er gesehen hatte, würde sie nicht wagen, so mit ihm zu sprechen. Zu gern hätte er eine abschätzige Bemerkung gemacht, aber leider hatte sie recht. Sie brauchten einen Segelmacher. Er packte den britischen Kapitän erneut und verdrehte ihm den Arm.
    »Du armselige Kreatur hast mehr Glück als Verstand, dass ich hier noch nicht das Kommando habe, sonst würdest du schon mit den Haien um die

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