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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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Kapitänskajüte der Neptun bringen. Die Männer lösten die Enterhaken und stießen das Beiboot ab.
    Anne stand an der Reling und salutierte übermütig. Sie entzündete einen Brandtopf und warf ihn auf das Beiboot, das binnen Minuten lichterloh in Flammen stand. Lachend nahm sie den stürmischen Applaus der Mannschaft entgegen und befahl: »Kurs Südwest!« Dobbins stand am Steuer.
    »Kurs Südwest«, wiederholte er mit militärischer Präzision.
    Anne stellte sich auf eine Kiste und hob die Hände, um die immer noch johlenden Piraten zum Schweigen zu bringen.
    »Ich weiß, dass ihr euch alle ein Fest verdient habt. Aber jetzt ist nicht der richtige Moment dafür. Wir müssen die Nacht nutzen, um diesem verfluchten Rogers zu entgehen. In ein paar Stunden wird er
wissen, dass wir ein Schiff gestohlen haben, und uns seine Leute auf den Hals hetzen. Der Wind steht günstig. Wir werden segeln, was die Fetzen hergeben. Die Reise ist lang, und auf der Insel warten unsere Leute. Ich schlage vor, die große Feier bis dahin zu vertagen.« Die Piraten klatschten erneut. Anne ergriff noch einmal das Wort: »Als Erstes müssen die Vorräte unter Deck. Zurrt die Seile gut fest, damit uns nichts durcheinanderpurzelt, wenn das Wetter wechselt. Ich gehe zum Kapitän und berichte ihm.« Sie sprang von der Kiste und schnappte sich im Vorbeigehen einen Seesack, den sie für sich gepackt hatte.
    Rackham lag auf dem Bett und schlief. Er sah erbärmlich aus. Sein Gesicht war überwuchert von wildem Bartgestrüpp, die Haare waren verfilzt und verschwitzt.
    »Calico, du stinkst wie ein alter Fisch. Aber damit ist jetzt Schluss. Ab sofort fängt ein neues Leben an.« Anne zog Rackham die schmutzigen Kleider aus, rasierte und wusch ihn. Dann holte sie aus ihrem Seesack ein frisches Hemd, eine frische Hose und ein seidenes Halstuch und kleidete ihn wieder an. Calico rührte sich nicht.
    »Nun hilf mal ein bisschen mit!« Anne schnaufte vor Anstrengung, als sie versuchte, die saubere Hose hochzuziehen. Als sie ihr Werk endlich vollbracht hatte, hätte sie sich am liebsten neben Calico gelegt und ein paar Stunden geschlafen. Sie streckte sich und gähnte.
    »Wenn ich von den Männern verlange, die Nacht durchzuarbeiten, werde ich das wohl selbst auch tun müssen.«
    Unter Deck herrschte reges Treiben. Die Mannschaft inspizierte das Schiff und war begeistert.
    »Bonny, so was Sauberes habe ich schon lange nicht mehr gesehen«, sagte John Howell.
    »Ich komme mir regelrecht schäbig vor, ungewaschen und in meinen erbärmlichen Sachen.« Anne strahlte ihn an.
    »Wenn die Sonne aufgeht, könnt ihr euch waschen. Ich habe in Nassau alles an Hosen und Hemden gekauft, was ich finden konnte, für euch und für die anderen auf der Insel. Wird schon was Passendes für jeden dabei sein.«
    Rackham schlief bis zum Nachmittag des nächsten Tages. Sein Schädel brummte. Benommen öffnete er die Augen, sah sich um und schloss die Lider sofort wieder. Halluzinationen wie diese hatte er
das letzte Mal während seiner schweren Opiumräusche gehabt. Aber jetzt? Er hatte doch gar kein Opium zu sich genommen. Er spitzte die Ohren und blinzelte vorsichtig. Kein Zweifel, das sanfte Schwanken, das Klatschen der Wellen. Er war auf einem Schiff. Ebenfalls kein Zweifel, den Raum, in dem er sich befand, kannte er nicht. Er richtete den Oberkörper auf. Stechende Kopfschmerzen waren die Folge. Er sah eine gut ausgestattete Kajüte. Auf den ersten Blick fehlte nichts. Vom Schreibtisch bis zum Waschgeschirr war alles vorhanden. Neben dem Bett lag ein Seesack, der ihm fremd war. Calico beugte sich aus dem Bett und griff danach. Auf dem Boden sah er einen Haufen schmutziger Kleider, die er als die seinen erkannte. Entsetzt sah er an sich herab. Gottlob! Er war nicht nackt. Wer immer ihn gefangen und hierhergeschafft hatte, war so freundlich gewesen, ihm etwas anzuziehen. Er sank zurück auf das weiche Kissen. Das Letzte, woran er sich erinnerte, war der mit Wein gefüllte Schlauch, den der Mulattenjunge - wie hieß er noch gleich - gebracht hatte. Calico kratzte seine vernarbte Hand. Und war es nicht so, dass er an Land gehen wollte? Die Erinnerung kam Stück für Stück wieder. Seinen Anteil versaufen und dann warten, bis Rogers ihn abholen kam. Er tastete seinen Brustkorb ab. Der Lederbeutel, in dem er sein Geld aufbewahrte, war nicht da. Ein heißer Schreck durchfuhr ihn. Das also war des Rätsels Lösung. Man hatte ihn gefangen genommen und beraubt. Aber seit wann, um

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