Koenigin der Meere - Roman
Wette schwimmen. Sag mir, wer bei dir als Segelmacher arbeitet.« Virgin bog den Arm noch ein wenig mehr nach hinten.
»Foster, dahinten, der Große. Er heißt Foster.« Die freie Hand des Kapitäns zitterte, als er auf einen gut aussehenden Blondschopf deutete.
Mehr als dreißig Matrosen nahmen Rackhams Angebot, sich den Piraten anzuschließen, an. Nur Mike Foster musste mithilfe einer Pistole von den Beibooten ferngehalten und schließlich sogar gefesselt werden.
»Read! Binde dem Irren die Hände. Er schlägt um sich wie ein wilder Bock«, befahl Virgin und Mary gehorchte. Foster sah sie wütend an und spuckte auf die Planken.
»Was seid ihr für eine Horde ungehobelter Saukerle. Lasst mich in Ruhe, ich will nicht mit euch fahren, und ich will schon gar nicht für euch arbeiten.« Seine tiefe Stimme gefiel Mary. Mit geübten Griffen band sie seine Hände auf dem Rücken zusammen und stellte sich vor ihn.
»Mach keine Schwierigkeiten, Foster. Wenn du Ärger machst, findet sich schnell einer, der Spaß daran hat, dich über Bord zu werfen. Benimm dich anständig, dann geschieht dir nichts.« Mary sprach so ruhig und bestimmt, dass er seinen Widerstand aufgab.
Virgin und Finch inspizierten die Beute. Sie fanden keine Juwelen,
kaum Achterstücke, und in den vielversprechenden Kisten befanden sich weder Gewürze noch Stoffe, sondern Bücher. Rackham warf einen verächtlichen Blick auf die in Leder gebundenen Bände, nahm einen in die Hand, blätterte lustlos darin herum und warf ihn wieder zurück.
»Schmeißt den Mist hier über Bord. Bücher!« Anne widersprach ihm vor versammelter Mannschaft.
»Es ist ein Fehler, die Bücher im Meer zu versenken. Die können wir verkaufen. Ich weiß, dass vor allem die mit den geprägten Einbänden viel wert sind. Wir könnten sie in Hispaniola an Land bringen und sehen, was wir dafür bekommen. Das hier zum Beispiel«, sie hielt einen Prachtband in die Höhe, »das ist eine spanische Bibel. Wollen wir wetten, dass wir die gut zu Geld machen können?«
»Dieser Bonny kann sogar lesen«, flüsterte Fetherston andächtig.
Als sich bei der zweiten Begehung des Laderaums herausstellte, dass die Pleasure vor allem Spirituosen geladen hatte, waren die Bücher vergessen, und die Piraten brachen in Jubelschreie aus.
»Damit werden wir nicht reich, denn sie werden alles wegsaufen, bevor wir den nächsten Hafen erreichen«, flüsterte Anne Mary zu. Schon am selben Abend schwankten die Männer stärker als die Schiffe, und Rackham, der sich ein paar besonders gute Tropfen gesichert hatte, lag betrunken in seiner Kajüte. Mary nutzte das allgemeine Durcheinander und setzte sich neben den noch immer gefesselten Mike Foster.
»Ich habe dir was zu essen mitgebracht.« Sie stellte einen Teller mit dampfenden Bohnen und Fleisch vor ihn.
»Wenn du mir versprichst, keine Dummheiten zu machen, löse ich deine Fesseln.« Mary sah ihn erwartungsvoll an.
»Was soll ich jetzt denn noch für Dummheiten machen? Hier komme ich doch sowieso nicht weg. Also, nimm mir die Stricke schon ab. Bis zum nächsten Hafen brauchst du dir meinetwegen keine Gedanken zu machen.« Mary befreite ihn und streckte ihm die Hand entgegen.
»Read, Marc Read«, stellte sie sich vor. Foster nickte und begann statt einer Antwort zu essen.
Anne war verärgert, dass Rackham sich erneut betrunken hatte,
suchte sich einen Schlafplatz auf Deck und schaute in die Sterne. Vom Mittschiff drang das Gelächter der feiernden Seeräuber. Anne dachte an ihren Sohn und versuchte sich vorzustellen, wie er wohl inzwischen aussehen mochte. Mit dem Bild eines glücklichen kleinen Jungen, der zwischen Grandma Dels Hühnern spielte, schlief sie ein.
Die Piraten waren verstummt, das Gelächter erstorben. Anne schlief fest, als sie plötzlich spürte, wie sich jemand an sie drängte und sich eine Hand zwischen ihre Schenkel schob. Am Geruch erkannte sie sofort, dass es nicht Rackham war, und riss die Augen auf. Über ihrem Gesicht nahm sie Henry Virgins böses Grinsen wahr. Er presste seine schwielige Hand auf ihren Mund und flüsterte heiser: »Hast gedacht, dass du klüger bist als wir alle, was? Aber den alten Virgin hintergeht man nicht so schnell. Ich habe euch gesehen. Dich und deinen feinen Herrn Kapitän. Und wenn du willst, dass ich meinen Mund halte, wirst du jetzt schön still sein und für mich tun, was du für ihn getan hast.« Anne ekelte sich. Schnell und klar rasten die Gedanken durch ihren Kopf. Auf keinen Fall durfte es
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