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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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das er gerade geflickt hatte, zur Seite und streckte sich.
    »Ich habe mir mein Leben ganz anders vorgestellt, und dann kamt ihr, und alles war beim Teufel.« Er schubste die Kiste mit seinen Nähutensilien zur Seite.
    »Zwei Jahre wollte ich noch zur See fahren, meine Heuer sparen und mir dann irgendwo ein kleines Häuschen und etwas Land kaufen. Eine Frau, Kinder, das habe ich geplant, und nicht auf einem Kaperfahrer als Gefangener gehalten zu werden.« Mary hätte viel darum gegeben, ihm sagen zu können, dass das, was er gerade beschrieben hatte, ihr Traum vom Glück war, und dass sie dieses Leben nur zu gerne mit ihm geteilt hätte. Ein Schatten fiel auf die ausgebreiteten Segel.
    Virgin packte Foster am Ohr und zerrte ihn auf die Füße.
    »Du bist nicht hier, um den Tag zu verquatschen wie ein bärtiges Weib!« Er stieß den Segelmacher grob vor die Brust. Foster hob drohend die Faust.
    »Du willst mir drohen, du kleiner Schneider! Mach dich nicht lächerlich, so was wie dich schmeiße ich noch vor dem Frühstück über die Reling!«
    »Lass ihn reden, er sucht schon seit Tagen Streit«, mischte sich Mary ein. Einen Zweikampf konnte Foster nur verlieren. Virgin war nicht nur stärker, sondern auch geübter im Umgang mit Waffen. Er würde den Mann, den sie liebte, töten, ehe der auch nur einen Wimpernschlag getan hatte.
    Virgin zerrte an Fosters Hemd, als wollte er seine Drohung wahrmachen. Foster entwand sich seinem Griff und wollte ihm gerade einen Hieb verpassen, da sprang Mary zwischen die beiden und schlug Virgin mit der flachen Hand ins Gesicht. Virgin hielt sich die brennende Wange und sah sie für den Bruchteil einer Sekunde ungläubig an.

    »Das hast du nicht umsonst getan, Bursche! Dich bringe ich um! Dafür wirst du dich mit mir duellieren, sobald wir irgendwo festen Boden betreten.« Kämpfe an Bord waren verboten. Wer angriff, wurde mit dem Tod bestraft. Das wusste auch Virgin. Er verzichtete darauf, Mary an Ort und Stelle zur Rechenschaft zu ziehen, ging zurück zum Hauptdeck und verkündete lauthals: »Haltet euch bereit, Leute! Es gibt bald was zu sehen. Wenn wir an Land gehen, putze ich Reads vorlauten Arsch weg!«
    Als Anne von dem bevorstehenden Duell erfuhr, geriet sie in große Sorge.
    »Du bist mutig, du bist tapfer, du kannst schießen, und du kannst fechten, aber kannst du einen Menschen töten?« Mary schwieg. Sie dachte an ihre Jahre bei der flandrischen Infanterie, an die Schreie der Sterbenden, an die verrenkten Gliedmaßen der Gefallenen und wie viele von ihnen sie auf dem Gewissen hatte.
    »Reg dich nicht auf, Bonny. Er wird sich wundern.« Sie ging unter Deck, um ihre Waffen einer genauen Prüfung zu unterziehen.
    Rackham hatte entschieden, dass das Duell nicht auf Hispaniola selbst stattfinden solle.
    »Wir würden nur unnötiges Aufsehen riskieren. Schließlich wollen wir ein paar Tage bleiben und uns amüsieren. Ein Kampf wäre kein guter Auftakt.«
    Abseits der Südküste lag eine kleine unbewohnte Insel.
    Savona war bekannt dafür, dass dort die großen Meeresschildkröten ihre Eier ablegten, aber jetzt war nicht die Zeit dafür. Die Piraten würden also völlig ungestört sein.
    Am Abend vor dem Kampf rief Calico Mary zu sich.
    »Furzdonnerschlag, Read, ich weiß nicht, welcher Teufel dich geritten hat, dass du dich ausgerechnet mit Virgin anlegen musstest. Pass auf dich auf und achte darauf, dass er nicht zur Seite springt, bevor ausgezählt ist. Er ist kein Ehrenmann, vergiss das nicht.« Mary hörte ihm aufmerksam zu.
    »Und noch eins: Wenn nicht einer von euch beim ersten Schuss draufgeht und ihr mit Säbeln weitermacht, versuch die See im Rücken zu behalten. Dann hat er die Sonne im Gesicht. Je höher sie steigt, umso stärker wird sie ihn blenden. Bleib auf dem festen und feuchten
Sand und sieh zu, dass du ihn in den trockenen drängst. Da steht er schlechter, und außerdem ist es anstrengender und macht müde Beine.« Rackham klopfte ihr auf die Schulter.
    »Mehr kann ich nicht für dich tun. Ich werde mit den anderen an Land kommen, aber du weißt, dass wir uns abseits halten müssen.« Mary nickte. Das Gefühl, die Mehrzahl der Männer auf ihrer Seite zu haben, gab ihr Selbstvertrauen und Zuversicht.
    Im Morgengrauen standen sich Virgin und Mary mit geladenen Pistolen gegenüber.
    »Ein letztes Gebet brauchst du nicht zu sprechen, du Hurensohn, es würde dir auf dem Weg in die Hölle sowieso nichts helfen«, höhnte Virgin und sah Beifall heischend in die Runde.

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