Koenigin der Meere - Roman
ging zum Bug. Rackham stand an der Reling und schaute über das Wasser. Anne stellte sich neben ihn.
»Calico, Barnett sucht die kubanische Küste nach uns ab. Wir müssen hier verschwinden und brauchen ein sicheres Versteck. Hast du eine Idee?« Rackham strahlte. Anne fragte ihn um Rat.
»Wenn er in Nassau losgefahren ist, hat er unterwegs sicher auf Jamaika haltgemacht und dort nach uns gesucht. Das heißt, er wird dort so schnell nicht wieder auftauchen. Nirgends gibt es so gute Verstecke, so verborgene Buchten wie dort. Lass uns Richtung Jamaika segeln und versuchen, auf dem Weg zwei Schaluppen zu kapern. Die meisten Buchten sind so flach, dass wir mit der Royal Queen nicht hineinkommen.«
Thomas Earl stand am Steuer und sah Anne erstaunt an, als sie ihm die Kursänderung mitteilte.
»Bonny, es ist deine Entscheidung, aber meinst du, es ist klug, direkt in den Rachen des Haifisches zu fahren?«
»Wir haben Geld, wir haben Proviant, wir werden uns in einer der Buchten verstecken, bis Barnett die Suche nach uns aufgibt und nach New Providence zurücksegelt.« Anne klang so zuversichtlich, dass Earl die Royal Queen ohne weitere Einwände auf Kurs brachte.
Als die erste Schaluppe drei Tage später in Sicht kam und sich die Mannschaft widerstandslos ergab, waren die Männer um Anne endgültig davon überzeugt, dass ihr weiblicher Kapitän das Glück gepachtet hatte. Fetherston übernahm das Kommando auf dem kleinen Schiff und segelte im Kielwasser der Royal Queen .
Anne machte Mary zum Ersten Maat der Royal Queen . Kuba lag hinter ihnen, der Wind stand günstig, doch ein zweites Schiff, das sich für ihre Zwecke eignete, ließ auf sich warten.
-38-
N ach einer langen Woche erscholl aus dem Krähennest das ersehnte »Segel in Sicht«.
Es war die Dragon , ein schmucker britischer Rahsegler, den die Männer der Royal Queen mit einem Streich nahmen. Pistolen und Musketen im Anschlag, stürmten sie die Dragon , setzten Mannschaft und Offiziere in die Beiboote und verbrachten die nächsten beiden Tage damit, ihre Habseligkeiten auf die gekaperten Schiffe zu verfrachten.
Gemeinsam mit Calico suchte Anne im Frachtraum der Dragon nach Gütern, die sich zu Geld machen ließen, doch außer ein paar Ballen englischer Wollstoffe und ausreichend Proviant für die nächsten Wochen entdeckten sie nichts. Anne rief Rosebud und Tucker unter Deck, damit sie die Fässer und Säcke inspizierten.
»Schaut, was wir brauchen können, den Rest werfen wir über Bord.« Rosebud öffnete jedes Fass, überprüfte das eingelegte Fleisch, suchte in den Säcken mit Reis und Getreide nach Ungeziefer und stellte erfreut fest, dass die meisten Lebensmittel genießbar waren. Lediglich die getrockneten Erbsen wimmelten nur so von Maden, dass der Smutje zwei Säcke ins Meer kippte. Als er mit seiner Laterne in den dunklen Bauch des Segelschiffs zurückkehrte, um die Vorräte auf Rattenspuren zu überprüfen, fiel ein kleiner Lichtstrahl auf ein paar Holzbretter, die zu einem Verschlag zusammengezimmert waren. Rosebud entfernte eine der Latten und leuchtete in die entstandene Lücke. Der Verschlag war voll mit kleinen Fässern, die sorgfältig aufeinander gestapelt und mit Tauen festgezurrt waren. Der Koch brach die restlichen Bretter auseinander und zählte vierzehn Fässer. Er zog eines hervor und öffnete es. Ein köstlicher Duft schlug ihm entgegen.
Rosebud schöpfte mit der bloßen Hand und nahm einen kräftigen Schluck. Der starke Alkohol breitete sich wohlig in seinem Magen aus.
»Verflucht will ich sein, wenn das nicht reinster Arrak ist«, murmelte der Koch und legte schnell den Deckel wieder auf das Fass. Ängstlich sah er sich um und stellte zu seiner Genugtuung fest, dass ihn niemand beobachtet hatte. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft. Wenn er Anne von seiner Entdeckung berichtete, würde sie der Mannschaft vielleicht zwei oder drei Fässer spendieren und verlangen, dass der Rest im nächsten Hafen verkauft würde - in seinen Augen eine Schande. Was für ein herrliches Besäufnis ließ sich damit veranstalten. Wenn er das Geheimnis für sich behielt, machte er sich schuldig. Wer die Beute nicht mit den anderen teilte, wurde hart bestraft. Aber wenn er geschickt vorging und niemand etwas merkte, konnte er sich jederzeit heimlich bedienen. Sorgfältig stellte er das angebrochene Fass wieder zu den anderen und rückte die Getreidesäcke so lange hin und her, bis sie seinen Schatz völlig verdeckten und er dennoch mit wenigen
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