Koenigin der Meere - Roman
vier in der Stadt umhören.
Eine Woche später war der Frachtraum der Royal Queen leer. Die Händler und Auktionäre von Caribarién hatten ihnen die Waren aus den Händen gerissen. Da die meisten Schiffe Havanna anliefen und dort ihre Ladung verkauften, kam die Fracht der Royal Queen einer kleinen Sensation gleich. Beiboot um Beiboot wurde beladen, und Anne strich mit spitzer Feder eine Position nach der anderen von ihrer Liste. Jeden Abend kehrte sie mit den Einnahmen des Tages zurück auf die Royal Queen , und Quartiermeister Carry verteilte die Münzen gerecht an die Mannschaft. Als alles verkauft war und die Männer die Taschen voller Geld hatten, rief Anne die Besatzung zusammen.
»Leute! Drei Tage brauchen wir noch, um unsere Vorräte zu ergänzen. Wir gehen in Gruppen an Land. Ich verlasse mich darauf, dass ihr alle pünktlich wieder an Bord seid und euch gegenseitig bei den eingeteilten Wachen ablöst. Carry und ich kaufen ein, was wir brauchen, Rosebud und Tucker werden uns begleiten.« Sie zwinkerte dem Koch zu.
»Keine Angst, Rosebud, ich stopfe diesen indischen Fummel wieder in die Kiste und sehe ab morgen wieder aus wie immer.« Rosebud lachte breit.
»Schade, Kapitän! Rot steht dir ganz ausgezeichnet.« Die Männer grölten.
Anne fiel auf, dass Fenwick und Earl etwas abseitsstanden und mit ernsten Mienen in ein Gespräch vertieft waren. Sie ging zu ihnen.
»Was ist los? Ihr macht so finstere Gesichter, ist euch eine Koschenillelaus über die Leber gelaufen?« Fenwick senkte den Blick.
»Aye, Bonny. Was wir am Hafen gehört haben, klingt nicht gut. Letzte Woche ist ein gewisser Barnett eingelaufen. Er lag drei Tage mit seiner Schaluppe vor Anker und hat sich angeblich überall nach Rackham und dir erkundigt. Dann ist er in Richtung Havanna in See gestochen. Es heißt, dass er ein Mann von Rogers ist, der ihn mit einem schnellen Schiff und fünfundvierzig Mann auf Piratenjagd geschickt hat.«
Anne wurde blass. Das waren keine guten Neuigkeiten. Wenn dieser Barnett sich vor der kubanischen Küste herumtrieb, galt es, die
Gegend möglichst schnell zu verlassen. Vor allem aber hieß es, dass sie sich um ein anderes Schiff kümmern mussten. So edel und elegant die Royal Queen auch war, sie war schwer, langsam und behäbig.
»Die Sache bleibt erst mal unter uns. Versaut den anderen nicht die Laune und zerbrecht euch nicht meinen Kopf. Bevor wir eine Entscheidung fällen, muss ich nachdenken.« Während die Besatzung der Royal Queen bei Wein und frischem Fisch feierte, setzte sich Anne in die Kajüte und grübelte. Mary klopfte an die Tür.
»Komm rein, Read. Wir haben ein Problem, vielleicht finden wir zusammen eine Lösung.« Anne berichtete, was Fenwick und Earl gehört hatten. Mary setzte sich mit dem Rücken zum Bett an den Tisch und stützte das Kinn in die Hände.
»Das ist allerdings mehr als unerfreulich. Egal, was du entscheidest, wir brauchen Proviant, und die Männer müssen ein paar Tage an Land.« Anne stimmte ihr zu.
»Mich drückt viel mehr, was wir mit dem Schiff machen. Wir können das Risiko nicht eingehen, dass dieser Barnett uns entdeckt, und wir zu langsam sind, um ihm zu entkommen.« Mary trommelte mit den Fingerspitzen auf dem Tisch.
»Wir werden uns eine oder zwei Schaluppen besorgen müssen. Aber im Hafen von Caribarién brauchen wir das gar nicht zu versuchen. Was da vor Anker liegt, taugt nicht für unsere Zwecke. Alles zu alt und zu klein. Das bedeutet, wir müssen auf See. Und wenn wir haben, was wir brauchen, versenken wir die Royal Queen . Ist zwar jammerschade, aber wir dürfen keine Spuren hinterlassen.« Anne nickte.
»So machen wir es. Ich rede morgen mit den Männern. Für den Augenblick sind wir hier in der Bucht sicher. Wenn dieser Barnett nach Havanna unterwegs ist, wird er nicht gleich umdrehen und hier aufkreuzen.« Sie sah Mary nachdenklich an.
»Ich werde die Nacht nutzen und mit einem Beiboot an Land rudern. Eigentlich hatte ich vor, auf Pinos bei Grandma Del vorbeizuschauen, aber dazu bleibt uns jetzt keine Zeit. Ich vergrabe meinen Schmuck und die Steine an Land und hole sie später, wenn die Luft rein ist.«
»Nimm mich mit«, bat Mary. »Ich habe so viele Achterstücke, dass ich die Juwelen jetzt ohnehin nicht verkaufen wollte.«
Unter dem Vorwand, noch einmal Fosters Grab besuchen zu wollen, ruderten die beiden Frauen an Land. Anne hatte Schmuckstücke und Edelsteine in eine kleine Kiste gelegt, diese mit gewachstem und geteertem Segeltuch
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