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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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zum ersten Mal auf ihr zweites Kind.
    Früh am nächsten Morgen erschien Kathy mit einem kräftigen Frühstück.
    »Erst essen und dann anziehen. Der Doc hat für jeden Morgen und jeden Abend einen kleinen Spaziergang verordnet.«
    »Ja, ich weiß, eine halbe Stunde. Der Mann hat keine Ahnung, was für ein Bedürfnis nach frischer Luft ich habe. Eine halbe Stunde! Lächerlich!« Mit Kathys Hilfe schlüpfte Anne in Rock und Bluse und ging an Deck. Die Matrosen begrüßten sie, beachteten sie aber nicht weiter. Alle kannten sie die Geschichten und Legenden, die man sich seit Jahren in den Hafenkneipen von Bonny, dem frechen, mutigen Piraten erzählte. Doch außer Jeremias Hobbes wusste keiner der Seeleute, dass sich hinter dem dreisten Kaperer die dünne, junge Frau verbarg, die da gestützt von Kathy langsam über das Deck ging. Ben Hamilton war mit dem Kapitän übereingekommen, Annes wahre Identität nicht zu verraten.
    »Je weniger Leute Bescheid wissen, umso besser. Nachher kommt noch einer auf die Idee, sich die Taschen zu füllen, und verrät sie«, hatte der Arzt gesagt und Hobbes sofort überzeugt.
    Es war noch keine Viertelstunde vergangen, da merkte Anne, dass sie die Kräfte verließen.
    »Kathy, meine Knie sind weich wie zerdrückte Bananen. Ich fürchte, ich kann keinen Fuß mehr vor den anderen setzen.« Sie lehnte sich an die Reling und sah auf das Meer.
    »Ich hatte schon fast vergessen, wie schön es hier ist. Wie kann ein Mensch nur leben, ohne zur See zu fahren. Dieser Geruch, diese Brise, dieses Gefühl von Freiheit, das gibt es sonst nirgends auf der Welt.«
    Während sie sprach war Hamilton herangekommen und hörte ihre letzten Worte.
    »Anne, hast du schon vergessen, was du gestern fest vorhattest? Wie war das noch? Wolltest du nicht ein ehrbares Leben führen und der Seeräuberei für immer Adieu sagen?« Anne zuckte zusammen.
    »Doc, machen Sie sich keine Gedanken, ich werde den Säbel und das Entermesser nicht mehr schwingen, aber ich kann doch vielleicht auch als ehrbare Frau von Zeit zu Zeit eine kleine Schiffsreise unternehmen,
oder?« Sie wandte dem Arzt lächelnd das Gesicht zu. Er beantwortete ihre Frage nicht. Besorgt sah er die Blässe ihrer Haut und das Weiß ihrer Fingerknöchel, als sie sich an der Reling festhielt.
    »Schluss mit Reden, zurück ins Bett. Du hast genug gehabt. Kathy, bring sie bitte in ihre Kabine und sorg dafür, dass sie sich sofort hinlegt.« Wie immer, wenn ihr etwas befohlen wurde, regte sich Annes Widerspruchsgeist. Aber Hamiltons Miene zeigte ihr, dass es sinnlos war zu protestieren. Wie ein artiges Mädchen ließ sie sich zurück in die Kajüte führen.

-49-
    A ls das Schiff vor Pinos ankerte, hatte Anne sich erholt. Mit festen Schritten und gerundetem Bauch ging sie an Land. Ihre Augen strahlten smaragdgrün wie eh und je. Ihre Haare leuchteten rot und glänzend in der Sonne des frühen Abends. Hamilton bestand darauf, dass sie am Hafen wartete, bis Jubilo einen Wagen aufgetrieben hatte.
    Schon von Weitem sahen sie die dünne Rauchsäule, die aus dem Schornstein von Grandma Dels Häuschen stieg. Annes Herz pochte. Gleich würde sie ihren Sohn wiedersehen. Wem er wohl ähnelte? Sie stellte sich einen kleinen Jungen vor, der aussah wie Calico Jack. Kisu saß neben ihr und hielt Mike im Arm. Gurrend zog er an ihren Haaren und stieß jedes Mal ein fröhliches Glucksen aus, wenn der Wagen über einen Stein oder ein Schlagloch rumpelte. Anne betrachtete ihn lächelnd und flüsterte: »Mary wäre überglücklich, wenn sie sehen könnte, wie gut es dem kleinen Kerl geht.«
    »Aber sie sieht es doch.« Kisu schaute zum Himmel. »Sie sitzt da oben und beobachtet jeden unserer Schritte.«
    Grandma Del hatte sich nicht verändert. Als Anne sie Pfeife schmauchend vor ihrem Haus sitzen sah, kam es ihr vor, als wäre sie nie fort gewesen. Jack kniete zu Delilahs Füßen und spielte mit den Federn eines eben gerupften Huhns. Anne rutschte vom Wagen und lief auf die beiden zu.
    »Grandma Del! Schau her! Ich habe dir versprochen, dass ich wiederkomme!« Ihre Stimme kiekste vor Aufregung. Der kleine Jack stand auf und versteckte sich hinter Delilah. Anne küsste die alte Frau auf beide Wangen und ging in die Hocke.
    »Jack, mein Liebling, komm zu mir, ich bin deine Mummy.«
Jack spähte vorsichtig hinter Grandma Del hervor, bewegte sich aber nicht.
    »Anne, lass dich drücken.« Delilah hatte sich erhoben und breitete die Arme aus.
    »Träume ich, oder kommst du schon

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