Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königin der Piraten

Königin der Piraten

Titel: Königin der Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danelle Harmon
Vom Netzwerk:
...«
    »Nein, nein, Mr Pasco, es ist mein Fehler, dass ich Euch nicht kommen gehört habe. Bitte, was gibt es?« Nelson wurde ein wenig rot und legte wie ein verliebter Jüngling, den man ertappt hatte, schützend den gebeugten Arm über den Brief, um ihn vor dem jungen Leutnant zu verbergen.
    »Der Kapitän sendet seine Empfehlungen, Sir, und der Ausguck hat soeben den Schoner der Piratenkönigin erspäht, der luvseits rasch näher kommt. Sie scheint in größter Eile zu sein, Sir.«
    »Die Piratenkönigin? Aber was macht sie denn hier - sie sollte doch bei Sir Graham sein ...« Nelson brach ab und sprang auf. Dann zählte er mit seinem Scharfsinn zwei und zwei zusammen und erbleichte. »O mein Gott - Falconer ... der Konvoi ... Villeneuve!«
    Er warf die Feder hin, schnappte sich seinen Hut und verließ eilends die Kajüte.
     
    Morgendämmerung.
    Am grauen, trostlosen Himmel zogen tief hängende Wolken die Dunkelheit der Nacht hinter sich her. Das Meer lag still wie in gespannter Erwartung, und auf der sachten Dünung, die stetig vorüberwogte, schaukelten die Trümmer, die sich in dieser Einsamkeit angesammelt hatten, und versanken in jedem Wellental - zerbrochene Spieren und Holzsplitter, zerrissenes Tauwerk und Fetzen zerschossener Segel.
    Die Stille wurde nur vom Heulen des Windes durchbrochen.
    Eine übel zugerichtete britische Fregatte lag leeseits eines edlen Kolosses, von dessen Besanmast immer noch die stolzen Farben eines Konteradmirals flatterten. Wo einst drei Fregatten gewesen waren, gab es nun nur noch eine. In gut dreihundert Meter Tiefe darunter hatten das Wrack der Chatham und alle, die mit ihr in den Tod gegangen waren, auf dem Grund des Atlantiks ihren letzten Ankerplatz gefunden.
    Die dritte Fregatte, die Harleigh , war losgeschickt worden, um den ungeschützten Konvoi einzuholen.
    Auf dem Orlopdeck tief im Inneren der Triton war es so dunkel, wie die lange Nacht gewesen war. Nur der trübe Schein einiger schaukelnder Laternen brachte ein wenig Helligkeit an diesen tristen Ort, der seit dem Bau des großen Schiffes kein Tageslicht mehr gesehen hatte.
    In der Luft hing der unangenehm süßliche Geruch des Blutes, von dem der ganze Boden klebrig-feucht war; dazu stank es so erstickend nach Erbrochenem, Exkrementen und Krankheit, dass einem das Wasser in die Augen stieg. Doch der Schiffsarzt und seine Gehilfen hatten keine Ruhepause genossen, seit die Triton die mächtige spanische San Rafael angegriffen hatte. Nun, zwölf Stunden nach der Schlacht, lief Dr. Ryder herum wie ein Schlafwandler. Seine Schürze starrte vor getrocknetem Blut, er blickte benommen, bewegte sich nur noch mechanisch, und das Haar klebte ihm verschwitzt an der Stirn.
    Es war ein Wunder, dass sie alle überhaupt hier sein konnten und nicht tot an Deck lagen, ertrunken waren oder, schlimmer noch, als Kriegsgefangene in der Gewalt des Feindes auf einem seiner Schiffe angekettet waren.
    Das hatten sie ihrem Admiral, Sir Graham Falconer, zu verdanken.
    Ryder dachte daran zurück, wie Sir Graham, die Bibel in der Hand, mit seinem klaren Bariton feierlich den dreiundzwanzigsten Psalm vorgetragen hatte, während die Leichen - in Segeltuch eingenäht und mit Kanonenkugeln beschwert - ihrer letzte Reise zum Meeresgrund harrten. Der Arzt wusste, dass diese Zeremonie bald wiederholt werden würde; schon lagen dort traurige Gestalten unter Stoffballen und warteten darauf, in ihre
    Segeltuchsärge eingenäht zu werden. Weniger glückliche Seeleute lagen vor Schmerzen stöhnend im Halbdunkel; manche brabbelten im Delirium vor sich hin, andere schrien vor Qual, wenn ihnen ein Arm oder ein Bein abgenommen oder ein Splitter herausgeschnitten wurde. Wieder andere hockten auf dem Boden, an die Schotten gelehnt, und starrten apathisch ins Leere, als wären sie schon tot.
    Einer der Überlebenden lag ein wenig abseits der anderen. Nach den Qualen, die er zuvor erlitten hatte, war er nun besinnungslos und rührte sich nicht. Ryders Blick trübte sich bei dem Gedanken, dass das Schicksal einen prächtigen jungen Offizier wie Kapitän Colin Lord so schwer geschlagen hatte. Immer holte Gott Männer wie ihn zu sich: die fähigsten, viel versprechendsten, die sich von der großen Masse abhoben - die besten.
    Er hörte, dass sich Schritte näherten, und verzog den Mund zu einem traurigen Lächeln. Wenn Gott Kapitän Lord haben wollte, musste er sich auf einen harten Kampf gefasst machen.
    Gray blieb stehen, um einen Schiffsjungen zu trösten, der

Weitere Kostenlose Bücher