Königin der Piraten
wirklich geliebt habe - und sie will mich nicht haben.« Er starrte zu dem weit entfernten Schoner hinüber. »Mein Gott, Sir, ich weiß nicht, was ich noch tun soll, um sie davon zu überzeugen, dass ich sie liebe.«
Armer Falconer, dachte Nelson. Er würde keine plündernde Piratin zur Frau bekommen und sie keinen Admiral zum Mann. Zwei Sturköpfe, von denen keiner bereit war einzulenken ... in einem schönen Schlamassel steckten die beiden!
»Lasst nur nicht locker, Gray. Ich bin sicher, Ihr werdet sie bald für Euch gewinnen!«
»Nein. Sie weigert sich, ihr Leben als Piratin aufzugeben.«
»Und für Euch als Admiral ist es natürlich undenkbar, eine solche zu heiraten.«
»Verdammt, ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Sie wird es sich bald anders überlegen.«
»Das glaube ich nicht.«
»Um Himmels willen, Falconer, die Kleine liebt Euch!
Wenn Ihr nur hättet sehen können, in welchem Zustand sie war, als sie mir die Nachricht brachte, dass Ihr auf die feindliche Flotte gestoßen seid.«
Gray hob kaum merklich den Kopf. »Wirklich?«
»Ja, wirklich.« Bei der Erinnerung musste Nelson lächeln. »Es war richtig rührend, glaubt mir.«
Als die Victory auf eine Woge traf, brandete die Gischt an ihrem mächtigen Rumpf entlang. Nelson dachte an den Brief, den er den Eltern der Piratenkönigin geschickt hatte, als sie zwischen Leben und Tod geschwebt hatte, und überlegte flüchtig, ob er Gray davon erzählen sollte. Doch manche Dinge ließ man wohl besser auf sich beruhen.
»Aber sie weigert sich immer noch, mich zu heiraten. Man sollte meinen, jede Frau würde sich ein Leben wünschen, wie ich es ihr bieten kann, aber nein. Nicht Maeve. Sie will ihr wildes, ungezähmtes Leben nicht gegen ein vergleichsweise ödes, langweiliges und wohlhabendes Dasein eintauschen.«
»Sarkasmus steht Euch nicht, Gray.«
»Nein? Aber ich bin ihr mit ebensolchem Eifer nachgejagt wie Ihr den Franzosen, und ebenso vergeblich.«
Seufzend blieb Nelson stehen und sah dem jüngeren Mann direkt in die Augen. »Ich will Euch eine kleine Geschichte über die Franzosen erzählen, Gray ...«
Unmittelbar luvseits vor dem Achterdeck der Victory wartete die Triton auf die Rückkehr ihres Admirals. Eingerahmt zwischen Bugspriet und Focksegel konnte Gray so eben die Kestrel erkennen, ein einsamer Punkt am Horizont.
Maeve, dachte er freudlos. Was muss ich noch tun?
»Zwei Jahre lang habe ich den Feind bei Toulon belagert«, begann Nelson, um sogleich verärgert zu fragen: »Verdammt, Falconer, hört Ihr mir überhaupt zu?«
»Ah, ja, natürlich ...«
Nelson spitzte die Lippen und räusperte sich ungeduldig. »Zwei Jahre lang«, wiederholte er, »habe ich den Feind bei Toulon belagert. Ihr mögt mich ungeduldig nennen, aber mir gefiel es gar nicht, dass die Franzosen so sicher im Hafen eingeschlossen lagen. Ich wollte, dass sie herauskamen, damit ich mit ihnen kämpfen konnte.«
Gray schaute seinen Freund an. Nelson starrte aufs Meer hinaus, und sein scharfes Profil mit der kühnen Nase war so aufrecht und gerade wie die Ruderpinne eines Segelschiffes.
»Und?«, hakte er ein wenig ungehalten nach, denn er fragte sich, worauf Nelson hinauswollte.
»Also habe ich mir überlegt, wie ich sie herauslocken konnte.«
Die untergehende Sonne verwandelte das Meer in flüssiges Gold. Nelson starrte in den Feuerball, bis sein armes Auge zu tränen begann. »Der französische Admiral hat mit mir regelrecht Katz und Maus gespielt, am Rand seines Mauselochs. Er kam herausgekrochen, um zu sehen, was ich machte, huschte blitzschnell wieder hinein, piesackte und neckte mich unaufhörlich.« Nelson wurde von einem Hustenanfall unterbrochen. Dann wandte er sich wieder Gray zu und schaute ihn durchdringend und grimmig an. »Und ich wusste, solange ich vor ihrem Loch sitze, kommt die Maus niemals heraus. Wisst Ihr, was ich dann gemacht habe? Ich will es Euch sagen. Ich bin mit meiner Flotte aufs Meer hinausgefahren, und so habe ich die Maus aus ihrem Loch herausgelockt!
Bei Toulon ist Wiel-nuuv mir vielleicht entwischt«, rief Nelson und fuchtelte mit dem Finger unter Grays Nase herum, »aber wenn ich ihn einhole - und das werde ich! -, dann greife ich an und werde ihn vernichtend schlagen! Daher ist es Zeit, Falconer, dass ich Euch in meinen Plan einweihe und Euch erzähle, wie ich mit ihm fertig werden und damit jegliche Hoffnungen Napoleons auf eine Invasion in England zunichte machen will. Kommt mit, dann erkläre ich Euch alles.«
Nelson
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