Königin der Piraten
durchnässte, sah er schon ihre amüsierten Blicke zwischen dem kleinen Schoner und ihrem finsteren, zornigen Admiral hin-und herfliegen.
»Rudern, verdammt!«, brüllte er und umklammerte das Dollbord so fest, dass es beinahe abgerissen wäre.
Die dunkle Bordwand der Kestrel lag vor ihm; dann ragte sie über ihm auf. Hoch über seinem Kopf reckten sich ihre beiden Masten in den Himmel. Gray wartete, bis die Barkasse an den Großpüttings festgemacht hatte; dann griff er nach dem Fallreep, das Aisling und Sorcha eifrig herunterließen, und begann hinaufzuklettern.
Auf halbem Wege schaute er zufällig nach oben und blickte in die weite Mündung einer Donnerbüchse, die direkt auf ihn gerichtet war.
»Bleib, wo du bist, Gray«, vernahm er Maeves leise, zornige Stimme. »Oder ich schieße.«
Gray reckte nur das Kinn vor, lächelte grimmig und kletterte weiter.
»Ich warne dich, Gray!«
Unter sich hörte er jemanden von der Mannschaft der Barkasse entsetzt nach Luft schnappen ... Ein anderer unterdrückte ein Kichern.
»Verdammt, Gray, zwing mich nicht, dich zu verletzen !«
Er hob den Arm, umklammerte den kalten Lauf der Waffe, riss sie Maeve mit einem Ruck aus der Hand und schleuderte sie ins Meer.
Dann kletterte er weiter.
Schon war sein Hut auf einer Höhe mit dem Dollbord des Schoners, und auch jetzt hielt er nicht inne.
Vor seiner Nase tauchte ein Entermesser auf. »Ich meine es ernst, Gray!«
Unbeirrt schlug er das Schwert beiseite und begann, sich über das Dollbord zu hieven. Maeve versuchte, auf seine Finger zu treten, a ls er nach einem festen Halt suchte. Er packte ihren schlanken Knöchel. Sie zückte ein Messer, doch er ergriff ihr Handgelenk und warf die Waffe fort. Maeve überschüttete ihn mit allen Flüchen, die ihr nur einfielen.
Und Gray zog sie in die Arme und küsste sie - unter dem großen Jubel ihrer treulosen Besatzung.
Maeves kleine Fäuste hämmerten auf seine Brust, während ihr nackter Fuß auf seinen Schuh heruntersauste. Ihr wütender Protest ließ seine Lippen vibrieren, und zugleich holte sie aus und rammte ihm das Knie an seine empfindlichste Stelle.
Gray schnappte nach Luft und krümmte sich vor Schmerz, sodass er den Hut verlor. Ihm wurde schwarz vor Augen.
Aisling und Sorcha konnten ihn gerade noch auffangen und fassten ihm stützend unter die Ellbogen. »Admiral! Alles in Ordnung?«
Gray rappelte sich wieder auf, schüttelte sich heftig, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, und fing sich gerade rechtzeitig, um Maeves stocksteifen Rücken in der Seidenbluse unter Deck verschwinden zu sehen.
»Alles bestens«, stieß er hervor und nahm sich nur eben die Zeit, seinen Hut wieder aufzusetzen, bevor er ihr nacheilte. Die grimmige Enolia versuchte, ihm mit dem Entermesser den Weg zu versperren, doch er schleuderte es mit einem Tritt beiseite und hastete weiter, durch die Luke nach unten, hinter Maeve her. Er marschierte schnurstracks zur Tür ihrer Kajüte und rüttelte an der Türklinke.
Abgesperrt.
»Mach die Tür auf, Maeve.«
»Zur Hölle mit dir, du Schuft!«
»Mach die verdammte Tür auf, Maeve.«
»Ich habe gesagt, zur ...«
Gray hob den Fuß, holte aus und trat mit aller Kraft gegen die Klinke. Einmal, zweimal - dann gab die Tür unter der Wucht seiner Tritte nach und flog auf. Schon stürmte er wütend in die kleine Kajüte.
Maeve stand ihm mit dem Rücken zur Wand gegenüber. Ihre Brüste zeichneten sich unter der Bluse ab, und ihr Gesicht war weiß vor Zorn. In der Rechten hielt sie eine Pistole, die sie nun auf ihn richtete. Ihre Hände zitterten, und in ihrer Kehle arbeitete es. Gray ging auf sie zu, packte sie am Kragen und zerrte sie dicht vor sein Gesicht.
»Eines muss ich dir noch sagen«, rief er und zog sie so dicht an sich, dass er ihren Atem auf den Wangen spürte. »Und nur das eine ...«
»Sag es!«, schrie Maeve.
Gray lächelte, dass seine weißen Zähne in dem gebräunten Gesicht blitzten. »Ich liebe dich.«
Dann neigte er sich zu ihr herunter, um sie zu küssen.
Als Maeve diesen innigen Kuss spürte, die Wut, Liebe und Verzweiflung, mit der Gray seine Lippen auf die ihren presste, schmolz sie dahin. Die Pistole fiel ihr aus der Hand, doch sie hörte nicht einmal, wie sie auf dem Boden aufschlug. Gray schob sie ein Stück zurück und drängte sie zwischen seinen harten Körper und die Wand. Seine Zunge versank in ihrem Mund, und sie roch das Salzwasser in seinen Kleidern, schmeckte es auf seinen Lippen. Keuchend riss sie sich von
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