Königin der Piraten
wirst.«
»Hör mal, Maeve ...«
Maeve winkte ab und schüttelte den Kopf. »Versuch nicht, mich aufzuhalten, mein lieber, süßer Admiral. Ich fahre. Morgen. Nachdem ich meine Vorräte aufgefüllt habe. Mein Entschluss steht fest, und nichts, was du sagst oder tust, kann mich davon abbringen. Außerdem, was erwartet mich schon hier in England? Die hochnäsigen Leute deines Standes würden niemals eine sonnenverbrannte Frau akzeptieren, die segelt, flucht und mit dem Schwert kämpft.«
Gray lehnte immer noch an der Tür, zupfte an seinem Ohrring herum und sah sie an. Wieder musste er an Nelsons Worte denken.
Die Maus aus ihrem Loch herauslocken.
»Und erst recht keine, die tötet«, fuhr Maeve provozierend fort.
Gray dachte nicht daran, darauf einzugehen. »Tja, dann musst du wohl wirklich fort, hm?«
Maeve stand auf und begann wieder, in der Kajüte auf und ab zu gehen. Die Worte kamen ihr nun nicht mehr kühl und wohl überlegt über die Lippen, sondern brachen hastig hervor, als wellte sie sie rasch noch loswerden, bevor sie die mühsam gewahrte Fassung verlor. »}a, ich muss. Weißt du, ich habe auf meiner Insel noch liegen gebliebene Dinge zu erledigen. Ich muss mich um meinen Delfin kümmern, meine Blumen gießen, im Garten Unkraut jäten ...«
Mit hoch erhobenem Kopf warf sie Gray einen herausfordernden Blick zu, doch ihre Augen glänzten unnatürlich.
»Ich muss meinen Anlegeplatz streichen. Nachsehen, ob auf der Insel alles in Ordnung ist. Neue Marssegel für die Kestrel besorgen ...«
»Einen Teufel musst du«, sagte Gray sanft.
Maeve wandte den Blick ab, und in diesem Augenblick wusste Gray, dass sein Gefühl ihn nicht getrogen hatte. Der Hochmut, der Stolz, die kühle Unnahbarkeit - das alles war nur gespielt, genau wie er vermutet hatte. Er kannte die Frauen. Er kannte Maeve. Und er sah die Sehnsucht in ihrem Gesicht, das verzweifelte Flehen, er möge nicht fortgehen, sie nicht im Stich lassen ...
Er seufzte und fragte ganz behutsam: »Was willst du wirklich, Maeve?«
Sie hob den Kopf und schaute ihn mit riesengroßen Augen an. Er sah, wie es in ihrer Kehle arbeitete, als sie tapfer versuchte, nicht die Fassung zu verlieren.
»Was ich wirklich will ... o Gott, es fällt mir so schwer, das zuzugeben, zu sagen ...«
Gray ging auf sie zu, nahm ihre Hände in die seinen und drückte sie fest. »Vertrau mir.«
»Ich ...«
»Vertrau mir.«
Maeve seufzte zitternd auf. Er fasste ihre Hände noch fester und beugte sich zu ihr herab, um sie zärtlich auf den Mund zu küssen.
»Was ich wirklich will, Gray ... Ich will den Rest meines Lebens mit dir verbringen, mit dem einzigen Mann, den ich je aufrichtig geliebt und dem ich vertraut habe, dem einzigen, der geduldig, geschickt und entschlossen genug war, meine Rüstung zu durchbohren, mich zu verstehen und mich so zu lieben, wie ich bin. Ich will den Mut haben, meine Rüstung abzuwerfen ... die Zugbrücke meines Schlosses herunterzulassen, damit es nicht mehr so ein kaltes, leeres Haus aus Stein ist.« Verzweifelt sah Maeve zu Gray auf. »Ich will den Mut haben, nicht nur dir, sondern auch anderen von ganzem Herzen zu vertrauen, im Wissen, dass sie mich nicht dafür verurteilen werden, dass ich so hart und ungebändigt bin. Der Grund dafür sind gewisse unerwartete Dinge, die in mein Leben getreten sind ...«
»Maeve, Liebste«, sagte Gray weich und schob sie ein Stück von sich, damit er ihr in die Augen sehen konnte. Er hob ihr Kinn an und neigte die Stirn an ihre. »Ich gehe nirgendwohin. Darauf kannst du dich als Erstes verlassen.« Er lächelte sie an.
Zögernd erwiderte sie sein Lächeln und holte zitternd tief Luft. »Ich will den Mut haben, mich meinen Eltern zu stellen ... auch wenn sie mir vielleicht nicht verzeihen. Es fällt mir schwer einzugestehen, dass ich mich fürchte. Ich meine, ich bin eine Piratenkönigin, und Piratenköniginnen fürchten sich doch nicht - aber ich schon. Ich fürchte mich nicht nur, ich habe panische Angst.«
»Es ist völlig in Ordnung, sich zu fürchten, Maeve.«
»Nein, das ist es nicht. Ich wette, du fürchtest dich nie.«
»Ganz im Gegenteil.« Gray schenkte ihr ein schiefes Lächeln, bei dem sein Grübchen erschien, und schüttelte langsam den Kopf. »Sich zu fürchten und den Mut zu haben, es einzugestehen, ist menschlich.«
»Du fürchtest dich also auch manchmal?«
»Himmel, ja. Ich fürchte mich davor, liebe Freunde in einer Schlacht zu verlieren. Ich fürchte mich davor, bei starkem Wind in
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