Königin der Piraten
Verflucht noch mal, ich ... ich habe dir vertraut!«
Gray grinste, auch wenn ihm das noch mehr das Herz zerriss. »Also wirklich, meine Liebe, warum bist du denn so wütend? Das mit ihr ist nichts Ernstes, nur ein Geplänkel ...«
»Ein Geplänkel? Bin ich das auch für dich? Ein Geplänkel?«
»Aber Maeve, Liebling ...«
»Nenn mich nicht Liebling!«, fauchte Maeve und verpasste ihm mit all ihrer Kraft eine Ohrfeige.
Gray stand nur da und ließ sich von ihr schlagen - ja, der Schmerz linderte sogar ein wenig seine inneren Qualen. Endlich glühten Maeves Augen vor Zorn und sprühten Funken, die ihn bis ins Innerste verbrannten.
»Hast du sie auch so umschmeichelt? Bist du bei ihr auch so raffiniert ins Bett geschlichen und hast auf ihr gespielt wie auf einer Violine, um sie dann zu verraten, du widerliches Ekel? Du gemeiner Kerl! Verlogener, hinterhältiger, dreckiger Lump ...«
»Nun sei mal vernünftig, Maeve«, erwiderte Gray und packte sie an den Handgelenken. Prompt fuhr ihr Knie in die Höhe, und hätte das Wasser die Wucht des Stoßes nicht gebremst, sie hätte ihm unheilbaren Schaden zugefügt. »Ich weiß gar nicht, warum du dich so aufregst - es ist doch ganz normal, dass ein Mann eine Geliebte hat ...«
»Für mich ist es nicht normal!«, tobte Maeve und riss sich von ihm los. »Ich wusste, dass du zu perfekt warst - die Sache musste ja einen Haken haben. Ich wusste, dass du unmöglich wirklich so sein konntest, wie ich dich gerne gehabt hätte, auch wenn es so aussah und ich es noch so sehr glauben wollte! Verflucht, warum habe ich nicht auf meine innere Stimme gehört?«
Ohne Vorwarnung riss sie plötzlich die andere Hand hoch und knallte sie ihm so fest auf die Wange, dass er taumelte und Sternchen sah.
»Mistkerl!«, schrie sie. »Du sollst in der Hölle verschmoren !«
Dann schwamm sie davon - nicht zum Strand, sondern auf den Schoner zu, als ob der ihr einziger Freund, ihr einziger Trost wäre. Gray schüttelte seinen brummenden Kopf und tauchte hinter ihr her, aber sie hatte einigen Vorsprung. Im nächsten Augenblick kletterte sie schon an der Bordwand des Schiffes hinauf. Das Haar fiel ihr über den nackten Rücken, und ihre Beine leuchteten weiß in der Dunkelheit. Gray war kaum anderthalb Meter hinter ihr. Nun hob er den Arm, angelte nach der Strickleiter und zog sich an der Seite des Schoners hinauf. Das Wasser tropfte ihm von den bloßen Schultern und dem Rücken ins Meer.
Über ihm stampften Maeves Schritte hohl über das Deck. »Hau ab, du elender Mistkerl. Zum Teufel, runter von meinem Schiff!«
Halb sprang sie, halb fiel sie durch die Bodenluke nach unten, gerade als von der Küste alarmierte Schreie ertönten.
»Majestät?«
Wasser spritzte auf, Flüche und Rufe waren zu hören, Lampen flammten auf und ein Pistolenschuss zerriss die Nacht. Gray schwang sich über das Dollbord an Deck. Er hatte keine Zeit, die doppelte Reihe von Kanonen zu begutachten und zu bewundern, wie ordentlich alles auf Maeves stets startklarem Schoner war, keine Zeit, sich dieses einzigartige kleine Kriegsschiff genauer anzusehen - denn in diesem Augenblick tauchte Maeve wie der Blitz wieder aus der Luke auf und richtete eine Donnerbüchse auf ihn.
Dann drückte sie ab.
Die Explosion zerriss die Nacht, orangefarbene und blaue Flammen sprühten gleißend hell aus dem Ge-wehrschloss und Sekundenbruchteile später auch aus dem Lauf. Wie sie ihn auf so kurze Distanz verfehlen konnte, würde Gray nie begreifen. Er hatte auch keine Zeit, darüber nachzudenken, jährend er schleunigst in Deckung ging. Dabei landete er auf den Ellbogen und prallte unsanft gegen einen massiven Kanonenwagen. Er hätte vor Schmerz schreien können. Plötzlich war er von einer Horde dunkler Gestalten umgeben, und ein ganzes Heer von Schwertern, Degen, Dolchen und Entermessern zielte direkt auf sein Herz. Mit einem halblauten Fluch stützte er sich auf einen Ellbogen und eine Hand. Er bekam einen Tritt in die Rippen, jemand anderes trat ihn in den Rücken, worauf er so heftig auf den Bauch fiel, dass ihm die Luft wegblieb. Noch ein nackter Fuß landete zwischen seinen Schulterblättern; zugleich hörte er, wie Gewehre geladen wurden, und spürte auch schon die Mündung eines Laufs an der Wirbelsäule, als Maeve ihm ihre Donnerbüchse in den Rücken rammte.
Er ließ die Stirn auf dem Deck ruhen, sodass seine Wimpern über die lackierten Planken strichen, als er die Augen schloss.
Über sich hörte er Maeves rauen, keuchenden
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