Königin der Piraten
es Euch beliebt, Gray. Ihr seid mehr als fähig dazu. Aber seid in Zukunft bitte etwas diskreter bei Euren piratischen Eskapaden. Gott sei Euch und der Marine gnädig, falls je etwas davon nach London durchsickern sollte!«
»Keine Sorge, Mylord. Meine Männer sind treu wie Gold und genießen eher die Abwechslung, die ihnen meine, äh, Possen bieten. Sie würden es nicht wagen, ein Sterbenswörtchen davon zu verraten. Aber genug von mir. Ihr habt gewiss nicht dreitausend Meilen zurückgelegt, weil Ihr Euch erneut mit Malaria anstecken oder dem Kommandanten des Postens auf den Westindischen Inseln einen Besuch abstatten wollt.« Gray stürzte seinen Rum hinunter und erhob sich, um ihre Gläser wieder aufzufüllen. Dann nahm er dem Admiral gegenüber Platz. Seine unbekümmerte Sorglosigkeit wich nun dem nüchternen Scharfsinn, für den ihn seine Männer priesen, seine Kameraden respektierten und der ihm den Bath-Orden und das Oberkommando eingebracht hatte, das er nun so schätzte. »Uns bleibt vielleicht noch eine Stunde, bis mein Kapitän ankommt. Genug Zeit, um mich darüber ins Bild zu setzen, welche Umstände Euch bewogen haben, vom Mittelmeer aus den Atlantik zu überqueren. Ich bitte Euch, lasst uns die Stunde nutzen, um zu bereden, wie wir die französische Flotte aufspüren können, die Ihr über dreitausend Meilen bis in meine Gewässer verfolgt habt!«
Ihre Blicke trafen sich. Der Admiral sah seinen Gefährten, der einst sein Schüler gewesen war, ruhig an, gelassen und völlig mit sich selbst und der Situation im Reinen. Gray erwiderte den Blick herausfordernd. Seit dem stürmischen Tag, an depi er noch ein ängstlicher, junger Fähnrich gewesen war, hatte dieser selbstsichere Offizier es weit gebracht. Nelson lehnte sich zurück und seufzte erleichtert auf.
Dieser Mann war ihm nun ebenbürtig.
Nelson lächelte, da all seine Sorgen sich plötzlich in Luft auflösten. »Ich dachte schon, Ihr würdet nie danach fragen.«
14.Kapitel l
A ls der Morgen dämmerte, hielt die Kestrel Kurs nach Norden. Eine frische Brise fuhr durch die gerefften Marssegel und über die gischtbesprühten Decks. Maeves Besatzung schlief noch, doch sie selbst hatte eine unruhige Nacht an Deck verbracht und zugeschaut, wie sich der Abstand ihres kleinen Schoners zur britischen Flotte vergrößerte. Inzwischen war diese nur noch als Reihe funkelnder Lichter am entfernten Horizont zu erkennen. Sie hatte gesehen, wie die Sterne einer nach dem anderen verlöschten und der Himmel sich von schwarz über indigoblau zu einem tiefen, melancholischen Grau verfärbte. Als die Sonne schließlich in flammend rotem Schein aus dem Meer tauchte, war Nelsons mächtige Flotte endgültig außer Sicht.
Wenn er es nicht schon getan hatte, würde der Admiral nun den Strick an der hoch aufragenden Fockrah der Victory befestigen, dachte Maeve traurig. Gray würde indessen an Deck stehen und darauf warten, dass die Kriegsartikel verlesen wurden und man ihm die Schlinge um den Hals legte.
Er würde auf seinen Tod warten.
Schaudernd holte sie tief Luft und riss den Blick vom Horizont los, der nun ebenso trostlos und öde dalag wie ihr Herz. Sie fühlte sich einsam. Verlassen. Im Stich gelassen. Sie biss sich heftig auf die Unterlippe. Denk nicht an ihn , sagte sie sich und umklammerte die Ruderpinne so fest, dass ihre Finger taub wurden. Er hat sein Vaterland und seine Marine verraten. Sie schluckte den Kloß im Hals hinunter. Und dich.
Der Wind frischte auf. Als Maeve die Ruderpinne festzurrte und nach vorne ging, ließ die salzige Brise ihr zerzaustes Haar hinter ihr herwehen, streichelte sie und machte die Kleider über ihre Haut flattern. Über die Haut, die er angefasst, geküsst, geliebt hatte. Maeve ging schneller, als könnte sie so die Erinnerung verscheuchen, und legte im Bug den Klüver um.
Doch als ihre Hände sich um das vom Salzwasser steife, durchhängende Tau schlössen und es spannten, fiel ihr Blick auf das traurig zusammengerollte goldbraune Hanfseil in der Bugnische, auf dem das Blut langsam eintrocknete.
Zitternd schloss sie die Augen.
Einen Augenblick stand sie hilflos und innerlich zerrissen da. Sie schaute sich verstohlen um und vergewisserte sich, dass das Deck immer noch leer war. Dann bückte sie sich und hob das blutige Seil auf, mit dem die Besatzung ihren geliebten Piraten gefesselt hatte. Als sich ihre Finger darum schlössen, spürte sie das Blut, sein Blut, klebrig an ihrer Handfläche.
Der Schmerz würgte
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