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Königin der Piraten

Königin der Piraten

Titel: Königin der Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danelle Harmon
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Geschützdeck drängten. Diese Söhne Englands waren alles, was noch zwischen seinem Vaterland und Napoleons tyrannischen Plänen stand. Nelson stieg weiter nach unten. Ein Schiffsjunge mit einem Eimer in der Hand ging an ihm vorbei, nickte ehrerbietig und verschwand irgendwo im Dunkeln. »Langsam, langsam, Junge.«
    Als er weiterging, spürte er die Wellen gegen die mächtigen Spanten der Victory schlagen.
    Noch ein Stück tiefer, unterhalb der Wasserlinie, wo nur noch gedämpfte Geräusche ins schummrige Halbdunkel drangen, betrat Nelson das düstere Reich des Schiffsarztes.
    »Dr. Beatty.«
    »Sir.«
    »Wie geht es Eurer Patientin?«
    »Ihr Zustand ist stabil, Sir.«
    Nelson nickte ruhig. Als die Männer der Victory Maeve an Bord und hinunter zum Schiffsarzt getragen hatten, war sie blutüberströmt und besinnungslos gewesen. In den letzten zwei Stunden hatten sich Dr. Beatty und seine Helfer dann verzweifelt darum bemüht, ihr Leben zu retten.
    Sie war noch so jung. In hilfloser Wut ballte Nelson die Hand zur Faust. So jung, mein Gott.
    Er begann, auf und ab zu schreiten; dabei fiel immer wieder der trübe Schein einer Laterne auf sein besorgtes Gesicht. »Wird sie überleben, Beatty? Sagt mir die Wahrheit.«
    »Ich weiß es nicht, Mylord. Die Wunde selbst ist nicht so schlimm. Die Kugel hat sie nur in die Seite getroffen, ein glatter Durchschuss. Was mir die größten Sorgen macht, ist die Kopfverletzung, die sie sich bei dem Sturz zugezogen hat. Gut, die Kleine ist zäh, aber bei solchen Verletzungen weiß man nie ...«
    »Das habe ich Euch nicht gefragt!«, fuhr Nelson ihn an. »Wird sie überleben?«
    »Es könnte nicht schaden, für sie zu beten, Mylord.«
    Nelson marschierte weiter auf und ab. Er versuchte, Maeve nicht anzuschauen, doch ihre weiche, kastanienbraune Haarflut, die über den Tisch fiel, zog seine Blicke auf sich. Ein junges Mädchen, das von zu Hause fortgelaufen war - am gleichen Tag, an dem die Schlacht bei Abukir stattgefunden hatte ... Und sie hatte ihm Gray zurückgebracht und der britischen Marine damit einen größeren Dienst erwiesen, als sie vielleicht jemals ahnen würde. Dieses Mädchen verdiente es zu leben.
    Er ging zu ihr hinüber und schaute hinunter auf ihr Gesicht, das von Schock, Blutverlust und, so fürchtete er, dem herannahenden Tod ganz bleich war. Er war dem Tod schon zu oft begegnet, um die Anzeichen falsch zu deuten. Die flache, angestrengte Atmung. Die bläulich schimmernden Lippen. Die blasse, durchscheinende Haut, die zarter aussah als Seidenpapier.
    Maeves Augenlider flatterten. Nelson sah, wie sich in einem Augenwinkel unter dem wieder geschlossenen Lid eine Träne bildete, die unter den dunklen Wimpern hervorquoll und langsam über die bleiche Wange rollte. Dann bewegte Maeve die Lippen, und auch über die andere Wange rann eine Träne.
    »Mylord ...« Ihre Stimme war kaum ein Flüstern, doch sie wusste, dass er gekommen war, dass er neben ihr stand. »Bitte ... geht nicht fort.«
    Der kleine Admiral schluckte heftig, weil er plötzlich einen Kloß im Hals hatte. Dann ergriff er die Hand der Patientin - sie war trocken, schwielig ... und kalt.
    Wie der Tod.
    »Bitte ... geht nicht fort«, wiederholte Maeve. »Ich will nicht allein sterben ...«
    »Ich will verflucht sein, wenn ich das zulasse«, erwiderte Admiral Lord Nelson und drückte ihr die Hand.
    »Ich habe mich so ... so bemüht, am Leben zu bleiben ... sagt das meinem Vater, ja? Ich will, dass er ... stolz auf mich ist.«
    Nelson kniff die Lippen zusammen. Sein Blick ruhte immer noch auf ihrem hübschen, unbewegten Gesicht, das nun in seiner Hilflosigkeit wirkte wie das eines zehnjährigen Mädchens, und auf dem blutverkrusteten Haar, das über der weißen Stirn ganz feucht und verschwitzt war.
    Nun trat Hardy ein. Er musste sich tief bücken, um sich nicht an den finsteren Deckenbalken zu stoßen. Nelson hob den Kopf und starrte seinen Flaggkapitän an, als wollte er ihn mit seinen Blicken durchbohren. Behutsam schob er die Hand, die er gehalten hatte, unter die Decke und dirigierte Hardy mit einer Handbewegung außer Hörweite Maeves.
    »Thomas.«
    »Sir?«
    »Auf meinem Schreibtisch liegt ein offener Brief. Versiegelt ihn und legt ihn zu der Post, die abgeht, wenn wir das nächste Mal anlegen. Ist die Triton noch in Signalweite?«
    »Nein, Sir.«
    »Dann schickt bitte unsere schnellste Fregatte los, um sie zurückzuholen. Sagt Kapitän Lord, er soll mir seinen Admiral wieder herbringen, sofort. Das

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