Königin der Piraten
Schläfe. Ihr war übel. Sie fühlte sich ausgelaugt wie eine ausgepresste Zitrone.
Atme weiter.
O Gott, es tat so weh.
Atme weiter!, befahl die Stimme erneut.
Sie wandte ein ganz klein wenig den Kopf und spürte, wie ihr eine feuchte Haarlocke über die Stirn glitt, über die Augen, sodass sie die Lider wieder schließen musste. Eine Hand war da, groß, stark und zärtlich. Sie strich ihr das Haar zurück, und der Daumen ruhte an ihrer Schläfe und streichelte ihr über die Wange.
Jemand kam herein. Sie hörte Schritte, fühlte, wie jemand über ihr stand und das Laken zurückschlug, um den Verband zu kontrollieren.
»Es ist möglich, dass sie es nicht schafft, Sir.«
»O doch, sie schafft es, und wenn ich sie eigenhändig aus dem Jenseits zurückholen muss!«
Durch den schmalen Spalt zwischen ihren Lidern sah sie Umrisse und Schemen ... milchig ... weiß. Blitzsauber und weiß wie frisch gefallener Schnee, und Knöpfe, goldene Knöpfe. Blauen Stoff. Marmeblauen Stoff. Die Farben und die Umrisse der Knöpfe waren undeutlich, verschwommen. Dann wurden sie schärfer; sie konnte klare Linien, Falten und Muster erkennen - eine Uniform, wie die von Nelson.
Aber die Stimme war nicht die des Admirals; es war Grays Stimme - und Gray war tot.
»Verflucht noch mal, könnt Ihr denn nichts mehr für sie tun, Ryder?«
»Nein, Sir Graham. Bei Kopfverletzungen kann man nie sagen, wie schwer sie sind, bevor der Patient erwacht. Nelsons Schiffsarzt hat bereits das Menschenmögliche getan. Alles Weitere liegt in Gottes Hand.«
»Also schön. Dann seid so gut und lasst uns allein.«
Maeve lag ganz still und lauschte auf die Schritte, die sich entfernten. Vom Schweiß, der ihr von der Stirn perlte, war das Laken unter ihr schon ganz feucht. Sie seufzte und wünschte, sie hätte die Kraft, den Kopf zu bewegen und die Augen ganz zu öffnen. Sie sah einen der Knöpfe an Grays Uniformrock. Das war alles. Es war ein goldener, auf Hochglanz polierter Knopf mit einem Relief des Ankers der Königlich Britischen Marine darauf.
Wie an Nelsons Uniform.
»Aber du bist doch tot«, flüsterte sie.
Er hörte sie nicht. Sie wusste nicht einmal genau, ob sie die Worte gesagt oder nur gedacht hatte. Sie versuchte, die Zunge zu bewegen, die ausgetrocknet und so dick geschwollen war, dass sie ihren ganzen Mund ausfüllte. Sie hatte nicht einmal genug Speichel, um sich die Lippen anzufeuchten. Sie öffnete leicht den Mund. Dann bewegte sich das Sofa, als Gray aufstand. Der Knopf schwebte nach oben und außer Sicht, gefolgt von einem weiteren, noch einem und noch einem. Alle waren golden, glänzten, und alle trugen den gleichen Anker. Ihr Kopf rollte auf dem Kissen zur Seite, und durch den Spalt zwischen ihren Lidern sah sie seine makellos weißen Hosen, die feinen schneeweißen Strümpfe, die sich um seine Waden schmiegten, ein Schwert, das in seiner Scheide an seiner Hüfte hing und unter langen, marineblauen Rockschößen hervorlugte.
Hinter ihm sah sie das Zimmer. Nein, eine Schiffskajüte. Eine sehr große Kajüte mit einer riesigen Kanone in einer Ecke und prächtigen, geschmackvoll angeordneten Möbeln. An den Wänden hingen Holzschnitte und goldgerahmte Porträts von grimmigen Männern in altmodischer Kleidung, Männern mit rohem, wildem Blick, die Pistolen, Entermesser, Schwerter schwangen. Sie waren ...
Piraten?
Ihr Kopf schmerzte. Das alles war zu viel für sie.
Sie spürte seine Hand an ihrer Wange, und etwas Hartes, Glattes berührte ihren Mund. Ein Glas. Wasser. Doch sie konnte die Lippen nicht bewegen. Sie versuchte, den Kopf auf dem Kissen zu drehen, hatte aber nicht die Kraft dazu. Wieder öffnete sie die Augen einen Spaltbreit und fühlte ihren Atemhauch, der über seine Finger strich. Sie roch seinen sauberen, männlichen Duft und sah die dunklen Härchen auf seinem Handrücken.
Er saß wieder bei ihr auf dem Sofa. Er berührte ihren Mund; dann tunkte er die Finger in das Glas und strich ihr Wasser auf die aufgesprungenen Lippen, zärtlich wie ein Geliebter.
Wenn sie tot war, dann war sie nun im Paradies.
Das Wasser tat ihr gut, und Gray behandelte sie umsichtig und liebevoll. Sie hörte seine Stimme über ihrem Kopf, dann dicht an ihrer Schläfe. Sie spürte, wie seine Lippen ihre Stirn berührten.
»Du wirst nicht sterben, Maeve. Du wirst nicht sterben, weil ich das nicht zulasse. Hörst du? Und wenn du aufgibst und mich im Stich lässt, bei Gott, dann verzeihe ich dir das nie.«
Ein wenig Wasser rann ihr in den
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