Königin der Piraten
stellte und er tief unter sich das Wasser gegen den Schiffsrumpf klatschen hörte. Dann zog er seine Pistole aus dem Halfter, lud sie mit Kugel und Schießpulver - und wartete.
Bei der ersten Salve aus den Geschützen auf der Steuerbordseite der Kestrel waren die wenigen Männer, die El Perro Negro an Bord des gekaperten Handelsschiffes zurückgelassen hatte, schleunigst in Deckung gegangen. Im darauf folgenden Tumult hatte Maeve ihren Schoner unmittelbar neben das kampfunfähige Schiff gelenkt, die Enterhaken ausgeworfen und ihre Besatzung unter gellendem Geschrei hinübergeführt.
Der erste Gegner ging auf sie los, als Maeve sich über das Dollbord des Kauffahrteischiffes an Deck schwang.
Sie sah nur die schwarze Mündung seiner Pistole, bevor Enolia ihn mit einer Kugel niederstreckte.
»Zu mir, Mädchen!«, brüllte sie und wirbelte zu ihrem nächsten Angreifer herum, einem massigen, bärtigen Kerl mit schwärenden Wunden um den Mund herum.
Als sie sich dem grausamen Hieb ihres Gegners entgegenwarf, dachte Maeve nur daran, ihr Entermesser zu schwingen ... an ihren Vater ... daran, sich an ihrem Schicksal zu rächen, das ihr das Glück gestohlen hatte - und an Gray.
Gray.
Als die Schwerter aufeinander krachten, fuhr ihr ein heftiger Schmerz durch den Arm, doch da sie stark, gelenkig und geschickt war, drehte sie sich auf ihren bloßen Füßen geschmeidig um die eigene Achse. Der Rauch aus den Pistolen brannte ihr in Augen und Nase. Der Pirat holte erneut aus. Maeve täuschte kurz an und stieß ihm dann brutal ihre Klinge in die Rippen. Blut spritzte aus der Wunde, und der Pirat ging schreiend zu Boden. Maeve stürzte sich sofort auf den nächsten Schurken und hieb ihm das Schwert in den Arm, als er eine Pistole an ihr Gesicht hochreißen wollte. Ein ohrenbetäubender Schuss krachte so dicht neben ihrem Kopf, dass das Schwarzpulver ihre Wangen traf und ihr in den Augen brannte.
Geschützfeuer, Schreie, Flüche, der Gestank nach Schwefel und Schweiß, Blut und Angst. Ein ums andere Mal holte Maeve aus und schlug zu, in blinder, rasender Wut. Der Schweiß rann ihr über die Wangen, und sie nahm nur noch den Höllenlärm und den dicken Rauch wahr, durch den sie hin und wieder etwas erkennen konnte ... Tia, die einem Piraten eine Enterpike in die Eingeweide rammte; Enolia, die einen Riesenkerl abwehrte, der nur ein Ohr hatte; Aisling und Sorcha, die, aus ihren Pistolen feuernd, Rücken an Rücken kämpften ... Dann stürzte sich wieder ein Angreifer auf sie und wollte ihr den Dolch in die Schulter rammen, doch er brach, von Lucias Donnerbüchse im Rücken getroffen, zusammen. Aus dem Rauch kam schon der Nächste ... und noch einer und noch einer ...
Gray, o Gray. Nun strömten Maeve die Tränen über die verrußten Wangen, aber es war ihr egal. Es kümmerte sie auch nicht mehr, ob sie überlebte oder nicht - ihr war alles gleichgültig ... außer dem, was sie verloren hatte.
»Käp t'n !«
Maeve fuhr gerade noch rechtzeitig herum, um El Perro Negro höchstpersönlich durch den Qualm auf sie losgehen zu sehen. Instinktiv warf sie sich mit Schwung seinem brutalen Angriff entgegen - und spürte, wie sie auf dem blutverschmierten Deck den Halt verlor.
Sie ging zu Boden, und das Letzte, was sie sah, bevor sie mit dem Kopf heftig auf dem Dollbord aufschlug, war das Mündungsfeuer von El Perro Negros Pistole ...
Dann wurde alles dunkel um sie.
15.Kapitel
G ray war auf die H.M.S. Triton zurück gekehrt und hatte seinen lang verdienten Urlaub angetreten, während die Mittelmeerflotte verzweifelt versuchte, die Vereinigte französisch-spanische Flotte zu finden. Unter der brütend heißen karibischen Sonne bahnte sie sich einen Weg nach Norden - zwischen den Westindischen Inseln hindurch, die wie Juwelen im Meer verstreut lagen. Diese Schönheit schrie förmlich nach ruhiger Gelassenheit, doch für den rastlosen Admiral Nelson, der auf der Suche nach dem Feind einen ganzen Ozean überquert hatte, gab es keine Pause. Er wollte den Gegner endlich zum Kampf herausfordern.
Gerade schritt er in der brennenden Sonne auf seinem Achterdeck auf und ab und dachte an Emma, an den Sarg, den er in London zurückgelassen hatte, und an den neuen Schlachtplan, den er sich ausgedacht hatte, um diesen Wiel-nuuv zu vernichten.
Plötzlich riss ihn ein Schrei des Ausgucks aus seinen tiefen Gedanken.
»Hallo, unten an Deck!«
Kapitän Hardy stand mit dem Navigator an dem schweren Steuerrad mit den Doppelspeichen. Er warf
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