Königin der Schwerter
r tet wurde.
Die langen Wachdienste im Angesicht der hässl i chen Statue waren unter den Hüterinnen nicht eben beliebt. An diesem Morgen aber freute sich Aideen auf die Einsamkeit in der Höhle. Es gab so vieles, über das sie nachdenken musste, und ein wenig hof f te sie auch, dass sich das Nebelgespinst noch einmal zeigen würde, wenn sie allein war.
Sie erreichte die Höhle, zögerte jedoch einzutr e ten. Drinnen war es still, zu still. Einen Augenblick lang wartete sie noch ab, dann schob sie den Vorhang lau t los zur Seite und trat ein. Ihr erster Blick galt dem Simion. Die Augen der Skulptur waren immer noch dunkel. Aideen entspannte sich und ging leise zu dem einzigen Tisch in der Höhle, vor dem eine der jüng e ren Hüterinnen auf einem Stuhl saß. Sie hatte die A r me auf der Tischplatte verschränkt und den Kopf da r auf gebettet. Die Augen waren geschlossen, sie atmete gleichmäßig.
Aideen legte ihr die Hand auf die Schulter und sa g te streng: »Das ist es also, was du unter Wach e halten verstehst, Elleana!«
Die Hüterin zuckte zusammen und fuhr so rucka r tig auf, dass sie fast mit dem Stuhl umgekippt wäre. »Ich … ich habe nicht geschlafen. Wirklich nicht«, stammelte sie, während sie sich verwirrt umschaute und versuchte, die Lage zu erfassen. »Ich … ich habe nur ganz kurz die Augen geschlossen und …«
»Schon gut. Geh etwas essen und dann schlaf dich aus«, sagte Aideen mit einem Lächeln. »Ich werde niemandem etwas verraten.«
»Danke!« Elleana strahlte Aideen an. »Vielen Dank, das … das vergesse ich dir nie.« Hastig stand sie auf und verließ den Raum.
Aideen sah ihr nach und lauschte darauf, wie ihre Schritte in dem einsamen Korridor verklangen. Dann setzte sie sich auf den Stuhl und genoss für einen A u genblick ganz bewusst die Wärme, die in dem kleinen Raum herrschte. Um den Wachen ihren Dienst bei dem Simion zu erleichtern, hatte die Ob e rin eines der Gefäße mit den leuchtenden Raupen in der Höhle aufstellen lassen. So war die Luft ang e nehm warm und frei von den Ausdünstungen der Öllampen.
Aideen gähnte. Die durchwachte Nacht und die Ereignisse der vergangenen Tage forderten nachdrüc k lich ihren Tribut. Das eigentümliche Rascheln der Sonnenraupen hatte eine einschläfernde Wirkung auf sie. Es dauerte nicht lange, da begannen sich ihre G e danken im Kreis zu drehen.
Irgendwo unter dem blauen Himmel des Hochlands lief sie auf der schmalen Abbruchkante eines Hügels en t lang. Zu ihrer Linken fiel der Hügel sanft als grüne Wiese ab. Zu ihrer Rechten tat sich ein felsiger Abgrund auf der mehr als zwanzig Meter senkrecht in die Tiefe reichte. Aideen kümmerte das nicht. Übermütig lief sie an der Kante entlang. Mel, Orla und Bethia waren auch da, lachend und wi n kend kamen sie den Hügel hinauf auf sie zu. Aideen wollte ihnen entgegenlaufen, um sie zu begr ü ßen, da stolperte sie plötzlich über einen Stein, verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe …
Aideen schreckte auf. Die Hügel und das Gra s land waren fort, und statt des Sonnenscheins gab es um sie herum nur das eigentümliche Licht der Ra u pen.
Ich habe geschlafen! Der Gedanke durchzuckte sie wie ein Blitz, der die Müdigkeit augenblicklich ve r trieb. Mit klopfendem Herzen schaute sie zu der Skulptur hinüber und fand ihre schlimmsten Befürc h tungen bestätigt: In den Augen des Affen zeigte sich ein schwaches grünes Leuchten!
»O nein!« Fassungslos starrte Aideen den Affen an. Wie lange hatte sie geschlafen? Fünf Minuten? Fün f zig? Egal! Sie musste die Nachricht sofort an Bethia überbringen. Der Simion in der anderen Welt musste dem Tor schon sehr nahe sein. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis Zarife es durchschritt. Entschlossen stand sie auf und verließ den Raum mit schnellen Schritten.
Die Zeit drängte. Die Anrufung musste unverzü g lich beginnen.
24
Gut durchgeschüttelt von der Busfahrt auf den holpr i gen Wegen, erreichten Manon und Sandra Stunden später Newgrange und gelangten zu dem kleinen Platz vor dem Eingang des Grabes, wo die Gruppen für die Führungen zusammengestellt wurden. Es war zwar noch nicht dunkel, aber die Schatten waren schon sehr lang.
Manon gähnte und sah auf die Uhr. »Wenn das in dem Tempo weitergeht, ist es dunkel, bis wir wieder am Bus sind.«
Sandra antwortete nicht. Sie schien ganz in ihre Gedanken versunken, während sie die Wand aus we i ßem Quarzgestein und den mit eindrucksvollen Zeichnungen versehenen Monolithen vor
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