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Königin der Schwerter

Königin der Schwerter

Titel: Königin der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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hingegen war es ungleich stä r ker, und sie hatte das Gefühl, dass es mit jeder Min u te, die verstrich, an Macht gewann. Es war, als lade sich das Gestein langsam auf, und Sandra fra g te sich, was wohl geschehen mochte, wenn der Prozess abg e schlossen wäre.
    Nachdenklich fuhr sie die Linien mit dem Finger nach. Ein winziger Funken löste sich aus dem G e stein und traf ihre Haut. Instinktiv zog sie die Hand zurück, führte sie aber sogleich wieder dorthin zurück. Die s mal knisterte es leise unter den Fingerspi t zen, als sie den Stein berührte.
    Sandra verzog den Mund zu einem Lächeln, wu n derte sich aber noch im selben Augenblick, w a rum sie das tat. Das seltsame Schauspiel faszinierte sie. Einen Grund zum Lachen gab es eigentlich nicht. Das L ä cheln aber blieb. Sosehr Sandra sich auch bemühte, die Mundwinkel zu entspannen, es gelang ihr nicht.
    Was ist das? Sandra runzelte die Stirn und versuc h te, die Hand von dem Gestein zurückzuziehen. Aber die rührte sich nicht. Sie versuchte ihren Fuß zu h e ben, aber auch das misslang. Es war unglau b lich, die Muskeln schienen sich ihren Befehlen einfach zu ve r weigern. Die Hand auf dem Stein konnte ebenso gut die eines Fremden sein.
    Ich bin gelähmt, schoss es ihr durch den Kopf. Ich kann mich nicht mehr bewegen. Der Gedanke schürte Panik in ihr.
    Manon! Es sollte ein Hilferuf werden, aber es blieb bei einem Gedanken. Manon! Hilf mir! Sandra heulte innerlich auf. Sie musste sich bemerkbar machen. I r gendwie. Aber es ging nicht. Plötzlich wurde es du n kel.
    Sandra zuckte zusammen, das heißt, sie wäre wohl zusammengezuckt, wenn sie es denn gekonnt hätte. So blieb es bei einem Erschauern im Geiste und einer namenlosen Furcht, die sie in sich aufste i gen spürte.
    Was geht hier vor? Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende geführt, da hatte sie plötzlich das G e fühl, als ströme ein eisiger Atem, der aus den Tiefen ihres Selbst zu kommen schien, durch ihren Körper. Er zog und zerrte an ihr, löste kostbare Erinnerungen aus ihrem Bewusstsein und trug sie mit sich fort. Eri n nerungen an ihre Familie und Freunde, Bilder aus den glücklichen Tagen der Kindheit, an ihr Z u hause und all das, was ihr Ich bisher ausgemacht hatte. Sandra raffte zusammen, was sie erreichen konnte, und hielt es fest. Sie spürte, dass sie sich ohne Erinnerungen ganz verlieren würde. Als das Zerren und Ziehen endlich aufhörte, fühlte Sandra sich seltsam losgelöst, fast schwebend in der Hülle, die einmal ihr Körper gew e sen war und die nun kein Gewicht mehr zu haben schien.
    Ist das der Tod? Ist es das, was man beim Sterben fühlt? Sie wunderte sich, wie seltsam klar und emot i onslos die Gedanken waren. Mit den Augen wollte sie die Dunkelheit ringsumher durchdringen, suchte nach einem Lichtschein, an den sie sich klammern konnte. Aber auch dieser Trost blieb ihr versagt.
    Der eisige Hauch war fort, aber schon rührte sich etwas Neues in ihren Eingeweiden. Heiß und feurig wie die Glut eines Vulkans, spürte sie einen uralten Zorn in sich aufsteigen, so heftig, bitter und so zerst ö rerisch, wie sie ihn nie zuvor empfunden hatte. Das Streben nach Vergeltung, Mordlust und Hass loderten in wilder Entschlossenheit in ihr hoch. Sanftmut, Freundlichkeit und Mitgefühl, ja selbst die Fähigkeit zu lieben, alle Gefühle und Eigenschaften, die ihr W e sen bis zu diesem Augenblick bestimmt hatten, ve r brannten in der Hitze, während eine neue Macht we i ter an Kraft gewann. Eine Macht, die Sandra fremd und vertraut zugleich war. Die Macht jener Wesensz ü ge, die in ihrem bisherigen Leben keine Rolle gespielt hatten. Die Macht ihrer dunklen Seite. In dem kurzen Augenblick der Finsternis hatte sich ihre dunkle Seite aus den Tiefen ihrer Seele gelöst und die Herrschaft über ihren Körper übe r nommen. Es war ein Teil von ihr, untrennbar mit ihr verbunden, und hatte doch so gar nichts mit der Sandra gemein, die zwanzig Jahre lang ein bescha u liches Leben geführt hatte.
    Sandra wollte sich dagegen wehren, aber es war zu spät. Körper und Seele hatten ihre Einheit verl o ren. Sie hatte keinen Einfluss mehr auf das, was die neue Sandra fortan tun würde.
    Was blieb, waren ihre Gedanken und die Erkenn t nis, jämmerlich versagt zu haben. Wie ein blindes Huhn war sie in die Falle getappt, die die andere ihr gestellt hatte. Hatte wie eine Marionette all das getan, was der anderen dienlich war, immer in dem Glauben, es für sich selbst zu tun.
    Manons Warnungen hatte sie

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