Königin der Schwerter
als sechs Stunden.«
»Sorry, aber es ist heute sehr voll hier«, entschuldi g te sich die Reiseleiterin, die sich von anderen Tei l nehmern ähnlich enttäuschte Kommentare anh ö ren musste. »Vergessen Sie bitte nicht, dass die Besicht i gung ursprünglich für den Freitag geplant war. So gesehen, denke ich, können wir froh sein, dass heute überhaupt noch eine Führung möglich ist. Auch wenn es die letzte an diesem Tag sein wird.« Und sie hielt noch eine Überraschung bereit. Mit den Worten: »Dies hier sind Ihre Eintrittskarten für den Besuch von Knowth, einem weiteren großen Gan g grab, das nur fünfzehn Busminuten von hier entfernt liegt«, reichte sie Manon und den anderen eine kleine grüne Plake t te, auf der in schwarzen Buchstaben 2.30 Uhr zu lesen stand. »Knowth ist das größte Ganggrab im Tal und überaus sehenswert. Anders als Newgrange kann es aber nur von außen besichtigt werden.« Die Reiseleit e rin schaute sich aufmerksam um und erklärte gut g e launt: »Da wir erst gegen Abend an den Führungen durch Newgrange teilnehmen können, bleibt uns g e nügend Zeit, auch Knowth einen Besuch abzustatten. Ein Abstecher, den Sie ganz sicher nicht bereuen we r den. Bitte fo l gen Sie mir zu den Shuttlebussen.«
Manon schaute Sandra an. Sie hatte nicht wir k lich Lust, noch ein anderes Ganggrab zu besichtigen. Aber die Aussicht, am Fuße des Hügels von Newgrange sechs Stunden auszuharren, war auch nicht gerade verlockend. »Was meinst du?«, fragte sie.
»Na, was schon?« Sandra seufzte und trat einen Schritt zur Seite, um eine rundliche Seniorin passi e ren zu lassen. »Jetzt sind wir schon mal hier, dann sollten wir uns das auch ansehen, oder?« Sie schnappte sich ihren Rucksack und folgte der Reis e gruppe in einigem Abstand zur Haltestelle der Shu t tlebusse.
Manon und Sandra besichtigten Knowth nicht wir k lich. Während sich die meisten anderen Teilne h mer der Reise interessiert mit dem großen Grab und dessen achtzehn Satellitengräbern beschäftigten, suc h ten sich die beiden ein sonniges Plätzchen auf einem Hügel, um das schöne Wetter zu genießen.
Sandra war sehr schweigsam. Die meiste Zeit saß sie einfach nur da und starrte in die Ferne. Auf M a nons Frage, woran sie gerade denke, reagierte sie ebe n so wenig wie auf alle anderen Versuche, eine Unterha l tung zu beginnen. Manon war das nicht geheuer. Der strenge, verkniffene Ausdruck auf Sandras Gesicht war ihr fremd und machte ihr Angst. Niemals zuvor hatte sie ihre Freundin derart angespannt und grimmig z u gleich gesehen. Irgen d wann gab sie es auf, mit Sandra sprechen zu wollen. Mit den Worten: »Na, dann eben nicht.« streckte sie sich im Gras aus, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen. Hin und wieder scha u te sie blinzend zu Sandra hinüber, die noch immer so reglos neben ihr saß, als sei sie selbst zu einem der vielen Steine geworden, die es hier überall zu sehen gab.
***
Deinen Bruder …
Die Worte des Nebelwesens gingen Aideen nicht aus dem Kopf. Der Gedanke, einen Bruder zu haben, und mehr noch, ihm ohne es zu wissen so nahe gew e sen zu sein, hatte ihr den Schlaf geraubt und beschä f tigte sie auch nach Sonnenaufgang so sehr, dass sie kaum fähig war, ihren Aufgaben nachz u kommen.
Hatte das Wesen ihr die Wahrheit gesagt? Oder war es gekränkt und hatte sie nur verletzen wollen? Was wusste es über ihre Vergangenheit und den jungen Mann, dessen Anblick sie so tief bewegt ha t te? Fragen über Fragen gingen Aideen durch den Kopf, auf die nur das Nebelwesen selbst ihr eine Antwort geben konnte. Doch es blieb verschwunden, und Aideen fürchtete, dass es sich ihr auch nicht mehr zeigen wü r de.
Bethia war nicht entgangen, wie aufgewühlt sie war. Es wäre ein Leichtes für sie gewesen, den Grund dafür in Aideens Gedanken aufzuspüren, aber sie hatte sich zurückgenommen und sich mit der knappen Antwort, dass alles in Ordnung sei, zufri e dengegeben. Noch vor der Morgenmahlzeit, die die Hüterinnen gewöhnlich gemeinsam einnahmen, war die Seherin zur Oberin gegangen, um ihr von der Ankunft des Dolches zu berichten und mit ihr über Tiseas ungewöhnliche Bitte zu sprechen. Seitdem hatte Aideen sie nicht mehr g e sehen.
Nachdem sie gegessen hatte, machte Aideen sich auf den Weg zu der kleinen Höhle, in der der Simion seit ein paar Tagen aufbewahrt wurde. Sie war dort bis zur Mittagsmahlzeit als Wache eingeteilt und wusste, dass sie von ihrer Vorgängerin schon sehnlichst erwa
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