Königin der Schwerter
ein Zeichen.
»Sollte ich nicht besser mitkommen?«, fragte Mel mit einem unbehaglichen Seitenblick über den Krate r rand hinweg.
»Nein.« Zarife schüttelte den Kopf. »Das erledige ich allein.« Sie nickte Mel zu und begann mit dem Abstieg. Ein dünner Pfad wand sich an der Südseite des Kraters die steile Klippe hinunter. Er war kaum einen Meter breit und so steil, dass die Füße auf dem losen Geröll immer wieder wegrutschten. Wer hier entlangging, brauchte starke Nerven, vor allem aber sollte er nicht in die Tiefe schauen, die schon so ma n cher unachtsamen Priesterin zum Verhängnis gewo r den war.
Zarife kümmerte der gähnende Abgrund zu ihrer Rechten wenig. Ihre Füße fanden den Weg wie von selbst, während sie in Gedanken noch einmal ihren Plan durchging. Die Dashken sollten nicht wissen, wozu sie die Zeit ihrer Abwesenheit genutzt hatte. Auf keinen Fall durften sie erfahren, dass ihre neuen Ve r bündeten planten, nach ihrem Sieg über die Sterbl i chen in dieser Welt zu verweilen. Der Handel, den Zarife geschlossen hatte, sah vor, dass jeder, der ihr im Kampf gegen die Truppen aus Torpak und die Rebe l len zur Seite stand, zur Belohnung einen menschlichen Körper seiner Wahl erhielt. Die Untoten der Zw i schenwelt waren Verdammte, denen das Tor zum Halvadal verschlossen blieb. Ihr sehnlich s ter Wunsch war es, endlich wieder leben und fühlen zu können, doch war ihnen in ihrem jetzigen Z u stand auch der Weg zurück in die Welt der Me n schen verschlossen.
Ein böses Lächeln umspielte Zarifes Mundwi n kel, als sie an die Zeit zurückdachte, da sie zum er s ten Mal von den Mächten der lichtlosen Halbwelt und ihren Bewohnern erfahren hatte und sich der Möglichkeiten bewusst geworden war, die sich ihr damit boten, ihre langjährigen Studien des Todes und die Macht, sich die Kräfte derer zunutze zu m a chen, die durch den heiligen Dolch ihr Leben ließen, hatten ihr wie zufällig den Schlüssel zu jener finst e ren Halbwelt in die Hände gespielt.
Schon immer war es ihr Bestreben gewesen, sich ein Land zu unterwerfen, es weit mehr zu beher r schen, als es ihr in ihrer Position als Hohepriesterin jemals mö g lich wäre. Zunächst hatte sie nicht g e ahnt, welches Opfer sie dafür bringen musste. Das war ihr erst später bewusst geworden, doch da wäre es für eine Umkehr bereits zu spät gewesen. Um mit dem Herrscher der Halbwelt zu verhandeln und e i nen Pakt mit ihm schließen zu können, hatte sie ihr Leben beenden und selbst in dessen Welt eintauchen müssen. Da es fre i willig geschehen war, war ihr die Wiedergeburt sicher gewesen, nur der Zeitpunkt und Ort ihres nächsten Lebens waren nicht offenbar g e wesen.
Sie hatte viele Vorbereitungen getroffen, um sich gegen jegliche Unwägbarkeiten abzusichern. In i h rem Sehnen nach Macht hatte sie jedoch keinen Auge n blick gezögert, das Wagnis einzugehen.
Am Ende hatte sie sogar Benize verraten und alle, die an sie glaubten, in den sicheren Tod geschickt, ohne eine Träne zu vergießen. Das alte Reich hatte untergehen müssen, damit ein neues entstehen kon n te. Sie selbst hatte sterben und den Weg in die Halbwelt finden müssen, um dann, wenn die Zeit gekommen war, stärker als je zuvor wiedergeboren zu werden. Dass sie dafür in ihren alten Körper z u rückkehren musste, war ein Irrtum gewesen, den sie sich ohne Bitternis eingestand. Der Leichnam hatte ihr gute Dienste geleistet. Die Hüterinnen hatten mit der i h nen zugedachten Aufgabe vortrefflich dazu beigetr a gen, die von ihr selbst verfassten Legenden über das goldene Reich Benize am Leben zu erhalten. Dies wi e derum hatte dafür gesorgt, dass die Menschen ihr wohlgesonnen waren und sie seh n süchtig erwarteten. Etwas Besseres hätte sie sich nicht wünschen können.
Nun lagerten Tausende Rebellen am Waldrand und warteten nur auf ihr Zeichen, um gegen Torpaks Heer in den Krieg zu ziehen. Wo sich dieses Heer befand, da r über hatte Zarife noch keine Kunde, aber sie war übe r zeugt, bald mehr zu wissen. Bei So n nenaufgang hatte sie die Raben zu sich gerufen, die den Priesteri n nen des Weißen Tempels schon in der Vergangenheit vortreffl i che Dienste geleistet hatten. Noch im Verlauf des Vo r mittags erwartete sie die Kundschaftervögel mit Nac h richten über Lage und Größe des Heeres zurück. Dann würde sie endlich in der Lage sein, den richtigen Zei t punkt für die entscheidende Schlacht zu besti m men.
Blieben nur noch die Flüchtigen, die mit ihrem Pferd unterwegs
Weitere Kostenlose Bücher