Königin der Schwerter
zum Waldland waren. Inzwischen hatte Zarife keine Zweifel mehr, dass sie gewarnt wo r den waren, ein Umstand, der für ihre Pläne nicht ganz ungefährlich war. Ihr größter Vorteil lag in der Übe r raschung. Sollten die Rebellen nur glauben, dass sie die verheißene Retterin sei, sollten die Hüt e rinnen in ihr ruhig die Frau sehen, die ihnen das goldene Zeita l ter zurückbrachte. Je länger sie arglos waren, desto besser war es für ihre Pläne. Wenn die Flüchtigen j e doch Kunde von ihrem Pakt mit dem Halbweltwesen hatten, konnte das zu unvorhersehbaren Schwierigke i ten führen. Die drei mussten den Tod finden, noch ehe sie das Waldland erreichten. Und wer war für diese Aufgabe besser geeignet als die Dashken?
Mit einem Lächeln auf den Lippen tauchte Zarife in die kühlen Nebelschwaden ein, die den Krater auf der Hälfte wie eine graue Wolkenschicht bedeckten. Für einen Atemzug konnte sie die Hand vor Augen nicht erkennen. Dann aber lichtete sich der Nebel, und sie sah die Welt ringsumher wie durch einen dü n nen Schleier. Aufmerksam blickte sie sich um. Von den Dashken war weit und breit nichts zu sehen aber Zarife wusste, dass der Eindruck trog. Sie ha t ten ihr Nahen längst bemerkt und sich irgendwo in der Nähe versammelt. Sie spürte es an dem Prickeln in ihren Fingerspitzen, eine Folge der ungeheuren Energien, die die Geschöpfe der Elemente in sich vereinten.
Sie sind hier, dachte sie selbstzufrieden. Und sie erwarten mich.
»Wir grüßen dich, Herrin des Weißen Tempels.« Die hellen und sanften Stimmen schienen von übe r all her zu kommen und keinen Ursprung zu haben. Zarife wandte sich um, konnte aber keine Veränd e rung in der Umgebung bemerken.
Es dauerte einen Augenblick, bis sie bemerkte, dass diese weder vor noch hinter ihr, sondern über ihr stat t fand. Aus dem dichten Nebelschleier, der den Himmel bedeckte, lösten sich dicke Tropfen, die, an langen grauen Fäden hängend, der Erde z u strebten. Als sie den Boden berührten, formten sie langsam mensche n ähnliche Gestalten, indem immer mehr Nebel den Faden herabfloss. Zuerst wurde der Saum eines U m hangs sichtbar, dann eine gegürtete Taille, Hände in weiten Ärmeln und Gesichter, u m rahmt von hellen Haaren, die in der Art der Hüteri n nen eng am Kopf geflochten waren. Immer mehr Frauengestalten for m ten sich so aus dem Nebel, bis Zarife sich inmitten einer mehr als hundertköpfigen Schar geisterhafter Hüterinnen wiederfand, die alle nahezu gleich auss a hen. Die Illusion war vollko m men. Nicht einmal sie vermochte zu sagen, welche der Gestalten echt und welche nur Abbilder waren.
»Willkommen, Herrin des Weißen Tempels.« E i ne der Frauen trat vor und begrüßte Zarife, indem sie sich leicht verneigte. Die anderen taten es ihr gleich. »Wir hörten, dass Eure Rückkehr unmittelbar bevo r steht. Euch schon so bald hier zu sehen, hätten wir jedoch nicht erwartet.«
»Ich hatte es eilig, nach Hause zu kommen.« Z a rife lächelte. »Wie ich sehe, habt ihr mein Erbe all die Jahrhunderte lang hervorragend beschützt.«
»Einst haben wir geschworen, den Weißen Te m pel und seine Bewohner zu schützen«, erwiderte die N e belfrau. »Das gilt auch für die Erben der Erbauer. Zeit spielt keine Rolle.«
»Dann seid ihr bereit und willens, Vergeltung zu üben für den Frevel, den Torpaks Truppen im Hoc h land begingen?«
»Wir haben geschworen, an Eurer Seite zu käm p fen, wenn die Zeit der Rache gekommen ist«, sagte die Nebelfrau. »Ein Wort von Euch genügt …«, sie wi r belte herum, und schon sah Zarife sich einem Heer grimmig dreinblickender Nebelkrieger gege n über, »… und wir sind bereit.« Sie wirbelte erneut herum und nahm wieder die friedliche Gestalt der Hüterin an.
»Genau das wollte ich hören.« Zarife nickte der Nebelfrau wohlwollend zu. »Doch ehe es so weit ist, habe ich noch eine andere Aufgabe für euch. Drei Frauen sind mit einem Pferd auf dem Weg zum Wal d rand, um das Heer Torpaks zu warnen.«
»Ich weiß«, die Nebelfrau nickte bedächtig. »Es sind die beiden Dolch-Boten in Begleitung einer H ü terin. Wir haben sie bemerkt, jedoch sind uns die Hände gebunden. Niemals, so wurde es von Euch selbst bestimmt, dürfen wir uns im Hochland gegen eine Eurer Seherinnen wenden, und auch die Boten genießen für den Rückweg einen besonderen Schutz.«
»Der Schutz ist hiermit für diese drei aufgeh o ben«, sagte Zarife bestimmt. »Die Seherin ist eine Verräterin. Auf der Flucht hat sie die Hand
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