Königin der Schwerter
gegen eine ihrer Schwestern erhoben und diese schwer verletzt. Sie ist nicht länger Teil der Gemeinschaft.« Zarifes Miene verfinsterte sich. »Auch die Boten des Dolches haben unsere Gastfreundschaft schändlich missbraucht, um heimlich Informationen für Torpak zu sammeln. D a mit haben auch sie ihr Recht auf Unversehrtheit ve r spielt. Keine von ihnen darf das Waldland erreichen.«
»Ist das Euer Wunsch?«
»Es ist ein Befehl«, erwiderte Zarife. »Für meine J ä gerinnen haben sie bereits einen zu großen Vo r sprung. Ihr allein könnt sie jetzt noch aufhalten.«
Die Nebelfrau nickte ernst. »Die Schattenwölfe werden Euch nicht enttäuschen.«
31
»Tot?« Tendor lachte, doch es lag kein Spott darin. »Nein, tot bin ich nicht, wie du siehst.« Er breitete die Arme aus und drehte sich im Kreis, um seine Worte zu unterstreichen. »Jedenfalls nicht wirklich. Tot bin ich nur für jene, die es glauben sollen.«
»So wie für mich?« Zoltan verzog keine Miene. Den im Krieg gegen die Tamjiken verschleppten und für tot erklärten Freund und Waffengefährten als Anfü h rer der Rebellen wiederzutreffen, war ein Schock, den er nur schwer überwinden konnte.
»Ja, auch für dich, mein Freund.« Tendors Sti m me nahm einen sanfteren Tonfall an. »Obwohl es mich bei dir besonders schmerzte. Es ließ sich aber nicht vermeiden. Dir muss ich nicht sagen, dass wir manchmal gezwungen sind, solche Schritte zu tun und der inneren Stimme zu folgen – auch wenn es schmerzt.«
»Innere Stimme, pah. Das ist wohl die läche r lichste Begründung für Verrat, die ich jemals gehört habe.« Allmählich fand Zoltan seine Fassung wi e der. Nun verstand er auch, warum das Lager mehr einem Heer als einem zusammengewürfelten Haufen von Bauern und Schweinehirten glich. Wem sonst, wenn nicht Tendor, dem ruhmreichen Anführer der Garde, der im Kampf gegen die Tamjiken nahezu jede Schlacht g e wonnen hatte, sollte es gelingen, das zu bewirken. »Die Stimme Karadeks ist es, auf die du hören solltest, denn ihm hast du einst ewige Treue geschworen.« Erbost über den Eidbruch se i nes besten Freundes spie Zoltan verächtlich auf den Boden.
»Ich verstehe deine Wut, mein Freund, aber …«
»Ich bin nicht mehr dein Freund«, knurrte Zoltan. »Freunde verraten einander nicht. Freunde kämpfen Seite an Seite für die gerechte Sache.«
»Gerechte Sache?« Tendor lachte auf. »Wovon sprichst du? Doch nicht von Karadek, der das Volk seit dem Tod seines Vaters knechtet? Der es rüc k sichtslos seiner Männer beraubt, damit sie in sinnl o sen Kriegen sterben? Von Karadek, der Frauen und Kinder öffentlich hinrichten lässt, weil sie dem alten Glauben huldigen? Der Tausende zu Frondiensten zwingt und sie Hunger leiden lässt, während er selbst in Reichtum schwelgt?« Er atmete schwer, schüttelte den Kopf und fügte leise hinzu: »Mach die Augen auf, Freund, und sieh dich um. Dann wirst du erkennen, dass es der Falsche ist, dem du den Eid geschworen hast. Zu A n fang, ja, da mag es noch gerecht zugegangen sein. D a mals, als Karadek noch jung und voller Ziele war. Damals habe auch ich ihm die Treue geschworen. Aber die Macht war zu verlockend für ihn. Sie hat ihn zerfressen wie ein schleichendes Gift. Einmal davon gekostet, entw i ckelte er sich zu einem Tyrannen, der das Volk gn a denlos ausbeutet.«
»Das ist nicht wahr!«, rief Zoltan aus. »Karadek ist kein Tyrann. Das Wohl seines Volkes liegt ihm mehr am Herzen, als du ahnst. Aber die Menschen sind ve r blendet, sie wollen nicht einsehen, welchen Lügen sie aufgesessen sind. Wie Kinder hängen sie an den Li p pen derer, die die Mär vom goldenen Reich Benize im ganzen Land verbreiten und die trügerische Sehnsucht nach der Rückkehr der H o hepriesterin Zarife in die Herzen pflanzen. Dieselbe Sehnsucht, von der ihr euch nährt, denn jeder Ve r blendete wird sich irgendwann gegen die Herrscher in Torpak wenden und den Weg zu euch finden. Zunächst ging es langsam vonstatten, fast unb e merkt. Irgendwann aber waren es so viele, dass Karadek hart durchgreifen musste, um die Me n schen vor diesen gefährlichen Lügen zu schützen.« Zoltan starrte Tendor an, atmete tief durch und sagte voller Bitternis: »Und nun bist auch du den Tä u schungen erlegen. Das hätte ich nicht erwartet.« Er schüttelte betrübt den Kopf. »Dich tot zu wähnen, wäre für mich leichter zu ertragen gewesen als die G e wis s heit, dass du es sein wirst, der die Bewohner dieses Landes in den Untergang
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