Königin der Schwerter
ber lass mich trotzdem eine Deutung versuchen. Ich bin überzeugt, dass es für dich sehr wichtig ist. Also, ich fasse jetzt mal zusammen, was mir die Karten s a gen. Du hast in der Königin der Schwerter eine mäc h tige Gegenspielerin und wirst dich schon bald von alten Gewohnheiten trennen müssen. Kommende Hindernisse kannst du überwinden, wenn du die Ve r gangenheit mit einbeziehst, wä h rend dich die Welt als fünfte Karte ermutigt weite r zumachen, auch wenn du glaubst, am Ziel zu sein. Der Turm hingegen spricht von Streit und Trennung, vielleicht auch von dem Ende einer Freundschaft. Und der Mond als siebente Karte …« Sie zögerte und schaute Sandra an. »Willst du das wirklich wi s sen?«
»Warum nicht?«
»Weil die Bedeutung ziemlich deprimierend ist.«
»Nur wenn man daran glaubt.« Sandra versuchte, ihre Verunsicherung durch ein Lächeln zu überspi e len. Im Stillen ärgerte sie sich über ihre Neugier und da r über, dass sie Ivana das Kartenlegen erlaubt ha t te, denn ein Teil von ihr war durchaus geneigt, der De u tung Glauben zu schenken.
»Der Mond ist die eigentliche Zukunftsdeutung«, e r klärte Ivana ernst. »Er steht für Prüfungen, aber auch für das Weibliche, Nichtgreifbare, Mysteriöse. Er kann auf Irrwege hinweisen, auf die Gefahr, von Illusionen und mystischen Kräften gefangen genommen zu we r den.«
»Das klingt wirklich nicht erfreulich.« Sandra schaute Ivana an. »Was habe ich jetzt davon, dass ich all diese Dinge weiß?«
»Du könntest versuchen, lenkend einzugreifen«, schlug Ivana vor. »Wenn du aufmerksam bist, wirst du bestimmt auf Dinge stoßen, die das Tarot vorherges e hen hat.« Sie nahm einen Zettel und einen Stift zur Hand, machte ein paar Notizen und reichte sie San d ra. »Hier«, sagte sie. »Da steht alles ganz au s führlich drauf. Du weißt ja, ich fliege übermorgen nach Bud a pest und bin für zwei Wochen nicht zu erreichen.«
»Danke.« Sandra nahm die Beschreibung entg e gen. Sie wollte noch etwas sagen, aber Ivana hatte es plöt z lich sehr eilig. »Du meine Güte, es ist ja schon spät«, sagte sie mit einem Blick auf die Uhr. »Ich muss sofort nach Hause, sonst macht sich meine Mutter Sorgen.« Sie schob das Kartendeck zusa m men, steckte es ein und stand auf »Sie ist sehr dünnhäutig seit Großmu t ters Tod.«
»Das verstehe ich.« Sandra begleitete ihre Freu n din zur Tür. »Ich finde es wirklich sehr lieb von dir, dass du dir die Zeit zum Kartenlegen genommen hast«, sagte sie und reichte Ivana zum Abschied die Hand. »Ich wünsche dir einen guten Flug und trotz allem schöne Tage in Budapest.«
»Auch dir alles Gute, Szia . Und pass auf dich auf.« Ivana winkte kurz, dann war sie schon im Treppe n haus.
Sandra schaute ihr nach, wie sie hinunterging, horchte auf die Schritte, die immer leiser wurden und schließlich verklangen, als unten die Haustür ins Schloss fiel.
Ich werde sie nie wiedersehen.
Der Gedanke blitzte ohne jede Vorwarnung hinter ihrer Stirn auf Klar, endgültig und schockierend.
Es war still im Treppenhaus, aber Sandra ging nicht in ihre Wohnung. Selbst als das Licht ausging, blieb sie noch in der geöffneten Wohnungstür stehen und rang mit den Gefühlen, die sie völlig unvorb e reitet ergriffen hatten.
War es möglich, dass Ivana die Karten für ihre Re i se falsch gedeutet hatte? Sollte sie ihre Freundin anr u fen und warnen?
Ach was, bestimmt spielen mir die überreizten Si n ne nur einen Streich. Sandra atmete tief durch und versuchte, die düsteren Vorahnungen zu ve r drängen. Ivana vertraut dem Tarot, sagte sie sich. Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen.
Sandra drehte sich um, schloss die Tür leise hi n ter sich und schaltete den Fernseher ein. Aber was sie auch tat, die Ahnung drohenden Unheils blieb, so wie die innere Stimme, die ihr zuflüsterte, dass sie Ivana ni e mals Wiedersehen würde.
8
Tisea erwachte früh aus unruhigem Schlummer. N e ben ihr an der Wand lag Peme auf einer Strohmatte. Mit den kurz geschorenen dunklen Haaren wirkte die Zehnjährige fast wie ein Junge. Ein Eindruck, der von ihrem hageren Körper noch unterstrichen wurde. Sie hatte die wollene Decke bis zum Kinn gezogen und die Beine wie ein Schoßkind angez o gen.
Tisea seufzte. Es war lange her, seit sie Peme so en t spannt hatte schlafen sehen. Der Kummer, den sie in sich trug, schien so übermächtig, dass sie ihn selbst im Schlaf nicht ablegen konnte. Tisea wünschte, sie kön n te ihrer Schwester helfen, aber
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