Königin der Schwerter
ein Wort.« Tisea schüttelte betrübt den Kopf.
Ulama ging nicht weiter darauf ein, sondern deut e te auf das große Bündel, das neben Tisea auf dem B o den lag. »Du hast dich entschieden, wie ich s e he.«
»Ja.« Tiseas Stimme wankte nicht. »Ich werde g e hen.«
»Ich wusste, du würdest mich nicht enttäuschen.« Ulama nickte bedächtig. Dann wanderte ihr Blick in Richtung des Stalls. »Was ist mit Peme?«
»Sie wird mich begleiten.« Während sie das sagte, ließ Tisea Ulama nicht aus den Augen. Sie war übe r zeugt, dass die Geschichtenweberin Einwände erheben würde. Umso mehr erstaunte es sie, dass Ulama wieder nickte. »Das habe ich fast befürchtet«, sagte sie. »Hast du es dir auch gut überlegt? Peme ist noch ein Kind. Sie …«
»Sie braucht mich.« Tisea ließ sich nicht beirren. »Vater kann nicht für sie sorgen. Danea ist fortgega n gen. Wer also sollte auf sie aufpassen, wenn ich nicht da bin?«
»Dein Pflichtgefühl ehrt dich.« Ulama lächelte, gab aber zu bedenken: »Vergiss nicht, der Weg, der vor dir liegt, ist nicht ganz ungefährlich.« Sie mac h te eine bedeutungsvolle Pause und fügte hinzu: »B e denke auch, dass ich nur ein Pferd habe. Und das ist noch nicht einmal ganz gesund.«
»Mach dir keine Sorgen.« Das klang viel zuversich t licher, als Tisea sich tatsächlich fühlte. »Silfri ist noch jung. Auch wenn er lahmt, wird er Pemes zusätzliches Gewicht kaum spüren. Wir werden das Kleinod woh l behalten ins Hochland bringen.«
Ulama nickte nachdenklich. »Weiß Peme es schon?«, fragte sie.
»Ich werde es ihr erzählen, sobald wir unterwegs sind«, erwiderte Tisea. »Sie hängt so an mir. Ich bin sicher, sie wird es verstehen.«
»Nun gut.« Mit einem raschen Blick nach allen Se i ten vergewisserte Ulama sich, dass sie immer noch allein waren, und sagte dann: »Aber gib acht, wie viel du ihr preisgibst. Auf keinen Fall darf sie das Ziel ke n nen und Kenntnis darüber haben, was ihr mit euch führt. Sie spricht nicht, aber sie ist nicht stumm, ve r giss das nicht! Und sie ist noch ein Kind.« Sie machte eine auffordernde Handbew e gung. »Komm mit ins Haus. Dann gebe ich ihn dir.«
In der Hütte angekommen, schloss Ulama die Tür, ging zu einer Truhe und holte einen in helle Tücher gewickelten Gegenstand daraus hervor. »Das ist er«, sagte sie feierlich. »Verbirg ihn gut vor fremden Bl i cken. Sollte er verloren gehen, ist die Zukunft Benizes in großer Gefahr.«
»Du kannst dich auf mich verlassen.« Tisea nahm den Dolch ehrfürchtig entgegen. Er war länger als ihre Hand, schlank und schmal, aber erstaunlich schwer. Unter dem Tuch zeichneten sich viele Erh e bungen ab, die darauf schließen ließen, dass der Griff reich mit Steinen verziert war. Für einen A u genblick war sie versucht, ihn anzusehen, verwarf den Gedanken aber wieder und steckte ihn in die Tasche mit den Hei l kräutern.
»Nun ist er in deiner Obhut.« Ein Schatten husc h te über Ulamas Gesicht, verschwand aber schon mit dem nächsten Wimpernschlag wieder. »Komm mit zum Stall«, forderte sie mit fester Stimme und b e deutete Tisea, ihr zu folgen. »Ich habe alles vorb e reitet. Ihr dürft keine Zeit mehr verlieren.«
9
Der Abschied von Mel und Orla fiel Aideen schw e rer als erwartet. Zwar ging sie nicht wirklich fort, sondern bezog nur Quartier in einer anderen Höhle, aber es hatte dennoch etwas Endgültiges an sich. Seit Aideen und ihre beiden Freundinnen in ihrem sechzehnten Winter zu den Jägerinnen gekommen waren, teilten sie die kleine, spärlich möblierte Hö h le. Keine von ihnen hatte damit gerechnet, dass sich dies einmal ändern würde.
Wie alle Hüterinnen waren auch die drei Novizi n nen Findelkinder, die von ihren Familien verst o ßen und im Hochland ausgesetzt worden waren. A i deen wusste, dass sie großes Glück gehabt hatten. Man hatte sie gefunden und zu den Hüterinnen g e bracht, ehe die geflüchteten Schattenwölfe ihre Witterung hatten au f nehmen können. Wie alle, die in den Höhlen lebten, hatten sie eine Ausbildung erha l ten, die sie befähigte, später eine Aufgabe in der Gemeinschaft zu überne h men. Aideens, Mels und Orlas Ausbildung sollte zur kommenden Sommersonnenwende, in ihrem zwa n zigsten Jahr, abgeschlossen sein. Dann wären sie g e meinsam in einer feierlichen Zeremonie als Jägerinnen im Kreis der Hüterinnen aufgenommen worden. Doch nun …
»Wir werden dich vermissen.« Eine Träne rann Mel über die Wange, als sie Aideen zum Abschied umar m te.
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