Königin der Schwerter
dann trat sie ein.
***
Am Sonntagmorgen blieb Sandra im Bett. Wirre Träume von Affen, Flugzeugabstürzen und hämisch grinsenden Tarotkarten, an deren Einzelheiten sie sich nicht mehr erinnern konnte, hatten ihr in der Nacht den Schlaf geraubt. Während sie wach im Bett gelegen hatte, hatte sie immer wieder darüber nac h gedacht, ob sie Ivana nicht doch anrufen und ihr von ihren B e fürchtungen erzählen sollte. Einmal hatte sie sogar zum Telefon gegriffen, sich dann aber dagegen en t schieden. Ivana hatte schon genug um die Ohren. Es brachte nichts, wenn sie ihre Freundin jetzt noch ne r vös machte. Und ändern würde es auch nichts. Ivana würde morgen mit ihrer Mutter nach Budapest fliegen und sich wohl kaum von einer b e sorgten Freundin, die plötzlich eine düstere Vision zu haben glaubte, davon abhalten lassen.
Sandra gähnte und kuschelte sich in ihre Bettd e cke. Sie hatte Kopfschmerzen, war müde und ve r spürte keinen Antrieb, etwas zu unternehmen, o b wohl die Frühlingssonne einladend ins Fenster schien. Gegen zehn Uhr klingelte das Telefon, lange und nervtötend, aber ihr war nicht danach zumute, mit irgendjema n dem zu sprechen. Seufzend zog sie sich die Decke über den Kopf. Als das Telefon keine Ruhe gab, sprang sie auf und riss kurzerhand den Stecker aus der Telefo n dose.
Da sie nun schon mal aufgestanden war, nutzte sie die Gelegenheit, sich ein Mineralwasser und eine Kopfschmerztablette zu holen. Dann rollte sie sich wieder in die Bettdecke, schloss die Augen und wa r tete darauf, dass die Wirkung einsetzte. Sie hätte alles dafür gegeben, noch ein wenig schlafen zu können, aber sie war innerlich viel zu aufgewühlt. Dauernd polterte jemand durch das Treppenhaus, auf der Straße war Kinderlachen zu hören, ein Motorrad mit viel zu la u ter Auspuffanlage dröhnte vorbei, und irgendwo stri t ten sich kläffend zwei Hunde. An Schlaf war nicht zu denken. Die Kopfschmerztable t te wirkte nicht, und es war viel zu hell, denn die Sonne schickte ihre Strahlen durch die Ritzen der Jalousie in ihr Apartment.
Draußen war ein zauberhafter Frühlingstag, aber Sandra stand der Sinn nicht nach Sonne, lauen Lü f ten und Blumenduft. Sie fühlte sich so kraftlos und elend wie schon lange nicht mehr.
Bestimmt werde ich krank, überlegte sie und dachte erschaudernd an die Pressemeldungen, die sie über den Tod der Gräfin de Lyss gelesen hatte. Was, wenn die Virus-Theorie doch der Wahrheit en t sprach? Was, wenn es diese mysteriöse Krankheit wirklich gab? I m merhin hatte sie den Affen nicht mit Handschuhen angefasst … Und wenn ich mich angesteckt habe? Bei dem Gedanken fühlte Sandra sich gleich noch schlec h ter.
Ist wohl besser, wenn ich zum Arzt gehe, übe r legte sie.
Ein Arzt! Endlich wusste Sandra, was sie tun würde. Sie brauchte einen Arzt. Umständlich schälte sie sich aus der Bettdecke, schlich zum Telefon und wählte die Nummer ihres Hausarztes.
Die Leitung war tot. »So ein Mist.« Sandra schü t telte das Telefon, klopfte mit den Fingern dagegen und wählte noch einmal – nichts.
Wieso war das verdammte Telefon denn ausg e rechnet jetzt kaputt? Mit weichen Knien machte sie sich auf den Weg zu ihrer Handtasche, um das Ha n dy zu holen. Dabei wäre sie fast über das Telefonk a bel gestolpert, das sich quer durch die Wohnung über das Parkett schlängelte. Verwundert hob sie es auf und erkannte, dass der Stecker nicht in der Tel e fondose steckte.
Fast hätte sie laut losgelacht. Kein Wunder, dass das Telefon nicht funktionierte. Und während sie sich da r anmachte, das Telefon wieder anzuschließen, übe r legte sie fieberhaft, wer das Kabel wohl herausgezogen hatte.
Die Erkenntnis, dass Sonntag war und die Praxis nicht geöffnet hatte, kam ihr erst, als die freundliche Stimme des Anrufbeantworters am anderen Ende der Leitung sie daran erinnerte. Für einen Augenblick e r wog sie, den ärztlichen Notdienst anzurufen, doch dafür erschienen ihr die Symptome dann doch nicht schwerwiegend genug. Nichts war schlimmer, als wie ein Hypochonder dazustehen, während in einem and e ren Teil der Stadt jemand in höchster Not auf einen Arzt wartete.
Um sich abzulenken, schaltete sie den Fernseher ein. Auf dem Doku-Kanal lief eine Reportage über versunkene Wüstenstädte. Das Thema berührte e t was in ihr. Sie stellte den Apparat lauter und legte die Fernbedienung fort. Da klingelte das Telefon.
Diesmal hatte sie vorgesorgt und den Anrufbean t worter angeschlossen. Nach dem
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