Königin der Schwerter
Schlüssel für Manons Wohnung. Bisher hatte sie sich aber immer geweigert, Manon den ihren zu geben.
»Du hast doch auch einen Schlüssel zu meiner Wohnung«, hörte sie Manon in diesem Augenblick sagen, als hätte diese ihre Gedanken gelesen. »Übe r leg es dir. Es muss doch nicht erst etwas Schlimmes pa s sieren, bevor du einsichtig wirst.«
»Also schön«, gab Sandra nach. Sie hatte nicht die Kraft für lange Diskussionen und ahnte, dass Manon diesmal nicht nachgeben würde. »Der Zwei t schlüssel liegt in der Schreibtischschublade.«
»Dein Vertrauen ehrt mich«, sagte Manon erfreut. »Ich passe auch ganz bestimmt gut darauf auf.«
10
Der erste Tag nach der Prophezeiung war in Torpak nass, kalt und windig aufgezogen. Den ganzen Vo r mittag lang wollte es nicht richtig hell werden, und der stete Regen verwandelte die ungepflasterten Straßen alsbald in eine schlammige Masse. Wer konnte, blieb am wärmenden Herdfeuer im Schutz der Häuser.
Ungeachtet des rauen Wetters herrschte auf dem großen Platz vor den Quartieren der Garde reges Tre i ben. Von überall her trafen Gespanne ein. Rufe gellten über den Platz, Boten kamen an und ritten wieder fort. Versklavte Tamjiken in tropfnassen Gewändern schleppten Hunderte Fässer, Kisten und Körbe in die großen Lagerräume, während Fronler aus den umli e genden Dörfern Pferde aller Rassen am Zügel in die Stallungen führten.
»Es scheint, als hätte sich sogar das Wetter gegen uns verschworen.« Zoltan stand am Fenster der Ko m mandantur und beobachtete den Fortgang der Arbeit. »Wenn es so weiter regnet, ist das Korn in den Säcken verdorben, ehe wir auch nur einen Fuß ins Hochland gesetzt haben.«
»Keine Sorge, im Norden ist das Wetter besser.« Menard, Zoltans engster Vertrauter und väterlicher Freund, blickte von dem Kartentisch auf. Er war mehr als zwanzig Jahre älter als der Kommandant und hatte Torpak schon unter Karadeks Vater gedient. Sein e r grautes Haar war über der Stirn stark gelichtet und so kurz geschoren wie der sorgfältig gestutzte Bart, ein Umstand, der die buschigen grau-weißen Augenbra u en fast ein wenig fremd in seinem Gesicht wirken ließ. »Nur einen halben Tagesritt weiter nördlich soll schon die Sonne scheinen. Oben im Waldland herrscht a n geblich seit Wochen eine ungewöhnliche Trocke n heit.«
»Eine Dürre? Wer sagt das?« Zoltan fluchte leise, als er sah, wie einer der Sklaven ausrutschte und mitsamt dem Weizensack in den Schlamm fiel.
»Ein Bote, der vor einer Stunde hier eintraf.« M e nard nahm das Studium der Karten wieder auf. »Der Wind kommt von Norden«, sagte er beiläufig. »Wir können also hoffen, dass der Regen bald au f hört.«
»Mögen die Götter deine Worte erhören«, murme l te Zoltan. »Der Regen ist wahrlich kein gutes Vorze i chen für den Beginn eines Feldzugs. Wenn ich nicht wüsste, dass es unmöglich ist, würde ich sagen, dass diese teuflische Priesterin bereits die Fäden zieht, um den Marsch ins Hochland mit allen Mitteln zu ve r hindern.«
»Ist sie denn schon zurückgekehrt?«, erkundigte sich Menard.
»Nein.« Zoltan schüttelte den Kopf. »Aber ich habe das Gefühl, dass uns nicht mehr viel Zeit bleibt, es zu verhindern.«
»Karadek sollte sich an das Volk wenden«, mei n te Menard, ohne von den Karten aufzublicken. »Ein de r art großes Aufgebot an Gardisten bleibt nicht unb e merkt. Es kursieren bereits Gerüchte über einen neue r lichen Krieg gegen die Tamjiken im Süden.«
»Gegen die Tamjiken?« Zoltan lachte kurz auf »Welch ein Unsinn! Wir haben das feige Pack vor sechs Monaten so vernichtend geschlagen, dass es sich den Grenzen unseres Reiches in den nächsten zehn Jahren nur auf Knien nähern wird.«
»Das Volk vergisst so etwas schnell«, gab Menard zu bedenken. »Doch es ist neugierig. Wenn du solch unsinniges Gerede verhindern willst, musst du den Leuten die Wahrheit sagen, sonst werden immer neue Gerüchte aufkommen.«
»Die Wahrheit?« Zoltan wandte sich vom Fenster ab und trat zu Menard an den Kartentisch. »Hältst du das etwa für klug?«
»Wir werden nicht verhindern können, dass sie es irgendwann erfahren«, gab Menard ausweichend zur Antwort. »Besser sie hören es von uns als von den R e bellen.«
»Die Rebellen!« Zoltan stieß einen verächtlichen Laut aus. »Diese Narren ahnen doch nicht, wem sie da huldigen. All die glorreichen Legenden von Zar i fe, die sie ihren Kindern erzählen, sind nichts weiter als ve r klärtes Gewäsch. Öl, das die
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