Königin der Schwerter
Tür aufbrechen, das schwöre ich.« Das war Manons Stimme.
»Warte, ich komme!« Sandras Stimme war kaum mehr als ein heiseres Krächzen. Sie hustete und räu s perte sich. Dann versuchte sie es noch einmal. »Ich komme ja schon!«, rief sie Manon zu. »Warte einen Moment.« Sie strampelte die Bettdecke fort, um schneller an der Tür zu sein, stolperte dann aber beim Aufstehen über ihr Sweatshirt, das sie am Abend ach t los zu Boden geworfen hatte. Fast wäre sie gestürzt, fing sich aber im letzten Augenblick ab und stieß sich nur das Knie an der Bettkante.
»Mist, verdammter.« Sandra verkniff sich einen Schmerzenslaut und sog die Luft scharf ein. Hu m pelnd erreichte sie die Tür.
»Sandra!« Kaum dass sich die Tür einen Spalt weit geöffnet hatte, zwängte Manon sich so nac h drücklich hindurch, als fürchte sie, Sandra könne sie jeden A u genblick wieder zuschlagen. »Ich habe dich schreien gehört. Was ist denn los? Warum gehst du nicht ans Telefon?« Manons Stimme überschlug sich fast vor Sorge. »Ich habe es heute schon dreimal versucht und dir sogar auf deinen Anrufbeantworter gesprochen. Hast du das nicht gehört?«
»Ja, doch.« Sandra suchte nach einer passenden E r klärung. »Aber ich wollte nicht telefonieren. Weißt du, ich habe heute Nacht kaum ein Auge z u gemacht und fühlte mich so richtig mies. Mein Kopf dröhnt, ich bin total schlapp und kann mich zu nichts aufraffen.« Sie zog die Schultern in die Höhe und seufzte. »Wah r scheinlich habe ich mir gestern beim Laufen einen Virus eingefangen, den ich jetzt au s brüte.«
»So wie du aussiehst, ist das bestimmt der gleiche Virus, der auch die alte Gräfin dahingerafft hat.« M a non zwinkerte Sandra zu als Zeichen, dass das nicht ernst gemeint war, aber Sandra konnte nicht darüber lachen.
»Sehr witzig.«
»O sorry, das waren wohl nicht die richtigen Wo r te, was?« Manon legte Sandra versöhnlich den Arm um die Schultern. »Na komm, so schlimm wird es schon nicht sein. Am besten, wir setzen uns hin, und du e r zählst mir, was mit dir los ist. Wenn du möchtest, koche ich uns einen Tee.«
»Gern.« Sandra war nun wirklich froh, dass M a non gekommen war. Brav setzte sie sich auf die Couch, kuschelte sich in die Decke, die Manon ihr reichte, und beobachtete, wie diese in der Küche Wasser au f setzte.
»Also, was ist los?«, fragte Manon, während sie mit den Teebeuteln hantierte. »Die Sonne scheint, aber bei dir ist alles abgedunkelt wie bei einem Fli e gerangriff Normal ist das nicht.«
»Ich hab doch schon gesagt, dass ich müde bin«, murmelte Sandra. »Aber jedes Mal, wenn ich einschl a fe, plagen mich furchtbare Albträume, und ich wache gleich wieder auf.« Sie seufzte resignierend. »Das ist nicht auszuhalten.«
»Dann beunruhigt dich etwas.« Zwei Teetassen in der Hand, kam Manon ins Wohnzimmer, stellte sie auf den Tisch und setzte sich neben Sandra. »Ich gla u be immer noch, der Affe ist schuld.«
»Jetzt lass doch mal den Affen aus dem Spiel«, brau s te Sandra auf. »Der kann nun wirklich nichts dafür.«
»Na, du musst es ja wissen.« Manon seufzte und zog die Schultern in die Höhe. »Und? Was ist es dann?«
»Eine aufziehende Grippe, zu wenig Schlaf, Ma n gelernährung …« Sandra griff nach der Teeta s se und nahm einen kleinen Schluck. »Ich bin kein Arzt. W o her soll ich das wissen? Wenn ich es wüs s te, könnte ich mir auch selbst helfen.«
Eine ganze Weile herrschte Schweigen.
Sandra hatte sich ermattet zurückgelehnt und die Augen geschlossen, während Manon in ihre Teetasse starrte, als könne sie im Bodensatz eine Botschaft e r kennen.
Im Westen sank die Sonne als rote Scheibe hinter die Häuser, und im Treppenhaus polterten die ersten heimkehrenden Sonntagsausflügler die Stufen hi n auf.
»Mir wäre wohler, wenn du mir einen Schlüssel für deine Wohnung geben würdest«, sagte Manon ganz unvermittelt.
»Einen Schlüssel? Warum?« Sandra runzelte die Stirn.
»Denk doch mal nach. Du bist hier ganz allein und fühlst dich nicht gut. Was ist, wenn es schli m mer wird und du die Tür nicht selbst öffnen kannst? Dann komme ich nicht rein, selbst wenn du mich vorher noch angerufen hast.«
»Hm.« Sandra überlegte. Manon hatte nicht ganz unrecht mit dem, was sie sagte. Das Thema war auch nicht neu. Der Gedanke, sich gegenseitig Ersatzschlü s sel anzuvertrauen, war schon einmal aufg e kommen, als Manon sich versehentlich aus ihrer Wohnung ausg e sperrt hatte. Seitdem besaß Sandra einen
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