Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königin der Schwerter

Königin der Schwerter

Titel: Königin der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
Vom Netzwerk:
rück.
    »Auf ein Wort noch«, bat sie.
    »Was ist?«
    »Es geht um die Novizin, die ich unterweisen soll.«
    »Was ist mit ihr?«
    »Sie ist sehr empfänglich.«
    »Gut.« Der Oberin gelang trotz der Eile ein L ä cheln. Bethia spürte, dass sie sich nicht weiter mit so l chen Belanglosigkeiten aufhalten wollte, aber das war ihr gleichgültig. »Zu empfänglich«, erwiderte sie ernst. »Sie atmete nur etwas Rauch von der A n rufung ein und hatte augenblicklich eine Vision.«
    »Das sollte ein Grund zur Freude sein, nicht zur Besorgnis. Worauf willst du hinaus?«
    »Sie sah, was sie nicht hätte sehen dürfen«, sagte Bethia düster. »Sie sah, wie die Dashken sie holten.«
    »Hat sie Fragen gestellt?«, wollte die Oberin wi s sen.
    »Noch nicht.« Bethia schüttelte den Kopf. »Aber das wird sie, wenn sich die Visionen wiederholen.«
    »Nun, irgendwann hast auch du die Wahrheit e r fahren, ebenso wie ich.« Die Oberin schien weit wen i ger beunruhigt als Bethia. »Unsere besondere Stellung unter den Hüterinnen bringt es mit sich, dass wir es irgendwann erfahren müssen.«
    »Aber nicht so früh«, hielt Bethia ihr entgegen. »Sie ist noch zu jung und unerfahren. Wie alle N o vizinnen beschäftigt auch sie noch die Frage nach ihrer He r kunft und ihrer Familie. Sollte sie jetzt schon die Wahrheit erfahren, wird sie gewiss vers u chen, ihre Mutter zu finden.« Sie schaute die Oberin ernst an. »Du weißt, was das bedeutet.«
    »So wie die Dashken dafür Sorge tragen, dass ni e mand zu uns gelangt, sorgen sie auch dafür, dass ni e mand von hier fortgehen kann.« Die Oberin nic k te bedächtig. »Du sorgst dich um sie, nicht wahr?«
    Bethia nickte. »Sie bringt alles mit, was eine gute Seherin ausmacht. Und wenn sie auch noch viel le r nen muss, wäre es doch ein herber Schlag, sie zu verlieren.«
    »Dann müssen wir ein Auge auf sie haben.« Die Oberin schaute Bethia ernst an. »Ob Tag oder Nacht, sie sollte immer in deiner Nähe sein.« Ein dünnes L ä cheln huschte über ihr Gesicht, als sie hinzufügte: »Sollte sie wieder eine unerwünschte Vision haben, wird dir sicher eine unverfängliche Deutung dazu ei n fallen.« Die Oberin erhob sich und ging zur Tür. »Wo ist Aideen jetzt?«
    »In meinen Räumen.«
    »Gut«, die Oberin nickte. »Heute Nacht habe ich noch ein paar wichtige Dinge zu erledigen. Sobald die Sonne aufgeht, begleitet sie dich in unser Heili g tum, wo ihr gemeinsam die Anrufung vorbereiten werdet.«
    »Gut.« Bethia nickte. Sie hatte nicht wirklich d a mit gerechnet, dass die Oberin Aideen so früh schon ge s tatten würde, das Heiligtum zu besuchen, und freute sich über das entgegengebrachte Vertrauen. Von nun an würde die junge Seherin stets an ihrer Seite weilen, und das war gut so.

13
    Als die Frauen am Morgen kamen, um die Tagw a che zu übernehmen, machte sich Hákon auf den Weg. Es war kein besonders schöner Morgen. Die Sonne hielt sich hinter dichten Wolken verborgen, die aber keine Au s sicht auf Regen in sich trugen. Das trübe und hof f nungslose Wetter passte zu der Stimmung, die Hákon in der Nacht den Schlaf g e raubt hatte. In nur wenigen Stunden hatte sich seine Welt so grundlegend verä n dert, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen kon n te. Seine Mutter, sein Vater, Gor, ja sogar Ulama, alle, denen er vertraut hatte, hatten ihn belogen und ihm ein wichtiges Teil seiner selbst vorenthalten. Hákon ballte die Hände und zog die Luft scharf ein. Er hatte eine Schwester, mehr noch, eine Zwilling s schwester, die, wenn sie überhaupt noch lebte, i r gendwo im Hochland ein ungewisses Schicksal erdu l dete.
    Er nahm es Gor nicht übel, dass er so lange g e schwiegen hatte; sein Bruder war damals gerade fünf Jahre alt gewesen, zu jung, um zu begreifen, was g e schah. In den folgenden Jahren hatte er es nur gut gemeint. Nie hatte eine böse Absicht in seinem Schweigen gelegen.
    Und Ulama? Welchen Grund mochte sie für ihr Schweigen gehabt haben? Wenn es stimmte, was Gor ihm erzählt hatte, musste sie weit mehr über das Ve r schwinden des Mädchens gewusst haben als jeder a n dere im Dorf. Schlimmer noch, es stand zu befürc h ten, dass sie eine entscheidende Rolle bei der Entfü h rung gespielt hatte.
    … sie ist die Zehnte der Blutlinie. Das sollten ihre Worte gewesen sein, und sein Vater schien sehr wohl gewusst zu haben, was sie damit gemeint hatte. Hákon sagten die Worte nichts, aber er war en t schlossen, es herauszufinden. Wenn die beiden es gewusst haben, dachte er

Weitere Kostenlose Bücher