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Königin der Schwerter

Königin der Schwerter

Titel: Königin der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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bei sich, muss es im Dorf auch andere Me n schen geben, die die Bedeutung kennen. Von den Männern seiner Sippe erhoffte er sich keine Hilfe. Sie waren schon immer eine eingeschworene Gemei n schaft gewesen und hielten ein gegebenes Versprechen bis über den Tod hinaus. So gab es nur einen, den er fragen konnte: Allvar, T i seas Vater.
    Es war kaum heller geworden, als er Allvars Hü t te erreichte. Im Gegensatz zu dem Mann, der sie b e wohnte, machte das aus massiven Stämmen e r richtete Blockhaus einen gepflegten Eindruck. Keine Spi n nenweben zierten die geschlossenen Läden, die Stufen vor dem Eingang waren sauber gefegt, das Holz im Unterstand neben der Haustür sorgfältig aufgestapelt. Ohne Zweifel trug die Hütte die Han d schrift einer tüchtigen Frau. Ein vergänglicher Ei n druck, der sich nicht lange halten würde, wenn Tisea und Peme ta t sächlich länger fortblieben.
    Die Tür war geschlossen. Hákon trat vor und klopfte dreimal mit der Faust kräftig dagegen. »Al l var?«, rief er. »Allvar, mach auf. Ich bin es, Hákon.«
    Nichts regte sich. Hákon klopfte und rief noch einmal, erhielt aber wieder keine Antwort. Er rüttelte am Türknauf, aber die Tür war von innen verriegelt. An jedem anderen Morgen wäre er wieder gegangen und hätte es später noch einmal versucht. Aber dies war kein gewöhnlicher Morgen, und Hákon spürte, dass es auch kein gewöhnlicher Tag werden würde. Dies war einer der Tage, die Ulama »Schicksalst a ge« genannt hatte. Ein Tag, der alles veränderte. Ein Tag, der die Betroffenen zwang, alte Pfade zu ve r lassen, um neue zu beschreiten.
    Noch dreimal klopfte er an die Tür, lauter und kräftiger als zuvor. Noch dreimal rief er Allvars N a men. Dann trat er einen Schritt zurück und warf sich mit aller Macht gegen die Tür. Der Riegel gab dem Ansturm sofort nach. Vom eigenen Schwung getragen, stolperte Hákon in die Hütte und blieb wie angewu r zelt stehen.
    Drinnen stank es erbärmlich. Allein sein Anli e gen, das keinen Aufschub duldete, hielt ihn davon ab, auf der Stelle kehrtzumachen und die Hütte wi e der zu verlassen. Aufmerksam schaute er sich um. Zwei T ü ren am anderen Ende des Raums führten zu den Schlafkammern. Hinter einer waren heiseres Röcheln und unregelmäßige Atemzüge zu hören.
    Wie nicht anders zu erwarten, hatte sich Allvar nach seinem unrühmlichen Auftritt bei der Totenw a che hierher zurückgezogen, um seinen Kummer im Weinrausch zu ertränken. Hákon schnaubte veräch t lich. Jeder im Dorf wusste, dass Allvar ein schw a cher Geist innewohnte. Das Verschwinden seiner Töchter hätte für ihn ein Grund zur Besinnung sein können – wenn er es gewollt hätte. Doch wie es au s sah, hatte er auch diesmal lieber den Weg des Ve r gessens gewählt.
    »Allvar?« Langsam ging er auf die Tür der Schla f kammer zu. Das Bild, das sich ihm hier bot, war mi t leiderregend und abstoßend. Allvar lag bäuchlings auf dem strohgefüllten Sack, der ihm als Bett diente. Ein Arm war seitlich ausgereckt. In der Hand hielt er einen Weinkrug, dessen Inhalt eine große rote Lache am Boden gebildet hatte. Das Haar stand ihm in alle Richtungen vom Kopf ab. Er schnarchte laut. Dem Gestank nach zu urteilen, hatte er erbrochen. Hákon hielt sich die Hand vor den Mund. Am liebsten wäre er wieder gegangen und hätte Allvar seinem Elend überlassen. Aber das ging nicht. Er musste mit ihm reden – und zwar sofort.
    Hákon zögerte einen Augenblick. Dann verließ er die Hütte, um wenig später mit einem Eimer Wasser zurückzukehren, den er in einem Schwall über dem Betrunkenen entleerte.
    Hustend und fluchend fuhr Allvar in die Höhe. »Was … was soll das?« Mit einer fahrigen Bew e gung strich er sich die Haare aus der Stirn und schaute sich verwirrt um. »Hákon?« In dem von Wein umnacht e ten Blick blitzte Erkennen auf. »Was …?«
    »Das erkläre ich dir draußen.« Noch während er das sagte, packte Hákon Allvar am Arm, zerrte ihn in die Höhe und beförderte ihn nachdrücklich zur Tür hi n aus. Er war erstaunt, wie leicht Allvar war. Dem au s gemergelten Körper fehlte jegliche Kraft zur Gege n wehr, und so gelang es Hákon problemlos, Allvar zur Pferdetränke in der Nähe des Hauses zu zerren. Ein leichter Stoß genügte, um ihm ein kühles Bad zu ve r passen.
    »He! Bist du von Sinnen?« Allvar, der langsam wi e der zu sich kam, war außer sich. Mit tropfnassen Kle i dern schälte er sich unbeholfen aus der Tränke.
    »Ich wollte dir nur helfen, den Unrat

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