Königin der Schwerter
sah sich um. »Sieht aber gar nicht so aus.«
»Ich habe schon aufgeräumt.« Sandra lächelte matt. »Guck lieber nicht in die Schubladen.«
»Und es wurde nichts gestohlen?«
»Nichts.«
»Gar nichts? Ist ja verrückt.«
»Finde ich auch.« Sandra war erstaunt, wie gela s sen sie inzwischen über den Einbruch sprechen konnte. »Kannst du jetzt verstehen, warum ich etwas Abstand brauche?«, fragte sie und fügte hinzu: »Ich habe dich vorhin angerufen, weil ich dich fragen wollte, ob ich heute Nacht bei dir schlafen kann.«
Manon zögerte nicht. »Na klar! Nicht nur heute Nacht. Du kannst bleiben, solange du willst. Um A b stand zu bekommen, musst du wirklich nicht auf eine zweifelhafte Reise gehen.«
»Danke, das ist nett von dir.« Zum ersten Mal, seit sie den Einbruch bemerkt hatte, lächelte Sandra. »Ich packe nur schnell ein paar Sachen zusammen und komme mit zu dir.« Und als hätte sie Manon gar nicht richtig zugehört, sagte sie: »Es sind ja nur zwei Nächte, bis die Reise beginnt.«
***
Am frühen Nachmittag des dritten Tages ihrer Wa n derung gelangten Tisea und Peme an einen Fluss. Klar und funkelnd wand er sich im verblassenden Sonne n licht in südlicher Richtung dahin und bot den Dür s tenden eine willkommene Erfrischung.
Auf einer Lichtung nahe dem Fluss gönnten sie sich eine kurze Rast und folgten dann dem Wasser stro m aufwärts nach Norden, wo irgendwo hinter dem u n durchdringlichen Dickicht das Hochland liegen mus s te. Obwohl sie nun schon Tage unterwegs waren, w a ren sie auf ihrem Ritt noch keinem and e ren Reisenden begegnet, hatten aber auch keine Anzeichen von G e fahr entdecken können.
Tisea, die zunächst befürchtet hatte, man könne nach ihnen suchen, entspannte sich allmählich. O b wohl sie wegen Silfris lahmer Hinterhand nicht schnell reiten konnten, hatten sie sich schon ein b e achtliches Stück von ihrem Heimatdorf entfernt, und es hatte ganz den Anschein, als wären sie vor Verfolgung s i cher.
Während sie schweigend weiterritten, wanderten Tiseas Gedanken zu Peme. Sie spürte den Körper ihrer Schwester warm und weich an ihren Rücken gelehnt. Die Arme lagen Tisea locker um die Taille. Peme schlief Tisea schmunzelte. Ihre kleine Schwe s ter hielt sich tapfer. Sie fragte nicht, was Tisea vo r hatte, und klagte nicht, wenn sie geweckt wurde. Ohne zu mu r ren, saß sie auf, wenn Tisea zum Au f bruch drängte, und obwohl der lange Ritt ihr bereits einige wunde Stellen eingebracht hatte, kam ihr kein Schmerzenslaut über die Lippen. Auch von Hei m weh war nichts zu spüren. Es war, als sei Peme damit zufrieden, dass T i sea bei ihr war. Die Furcht, auch die geliebte Schwe s ter zu verlieren, so schien es, ließ sie alles andere kla g los ertragen.
Pemes bedingungsloses Vertrauen rührte Tisea. Hatte sie die Anhänglichkeit ihrer Schwester zu Hause oft als lästig empfunden, spürte sie jetzt, wie ungehe u er wichtig es Peme war, nicht allein zu sein. Sie war alles, was der Kleinen noch geblieben war. Ein eins a mer Felsen im Strom, der ihr Halt und Schutz bot. Für einen Augenblick beschlich Tisea der Gedanke, dieses Vertrauen nicht verdient zu haben. Wer konnte schon sagen, wie die Reise enden würde?
Ein Schatten strich lautlos über sie hinweg, und sie riss erschrocken den Kopf in die Höhe. Eine gr o ße nachtschwarze Eule hatte sich vom Nahen des Pferdes offenbar gestört gefühlt und ihren Ruheplatz gewec h selt. Tisea atmete auf. Bisher hatten sie viel Glück g e habt, und Tisea hegte die leise Hoffnung, dass dies auch so bleiben möge.
Es war schon fast dunkel, als sie einen kleinen, von Hasel- und Brombeersträuchern geschützten Felsübe r hang in Ufernähe entdeckte, der ihr für ein Nachtlager wie geschaffen schien.
Während Peme Silfri zum Fluss führte, damit er saufen konnte, suchte Tisea nach einer Stelle, an der sie die Tasche mit dem Verbandszeug und dem Dolch von Benize verbergen konnte. Ein Spalt in der Fel s wand erschien ihr als Versteck wie geschaffen. Vorsic h tig schob sie die Tasche so weit hinein, dass sie nicht mehr zu sehen war.
Der Boden war mit dürrem Laub bedeckt, sodass sie darauf verzichteten, ein Feuer zu entfachen. Als sie ihr karges Mahl gegessen hatten, rollten sie ihre D e cken aus und legten sich nahe dem Felsüberhang zur Ruhe.
Die Nacht war mild, fast warm nach den kühlen Nächten zuvor. Trockenes Laub, Harze und modr i ges Holz verströmten einen würzig vertrauten Duft und ließen die Heimat nicht mehr so
Weitere Kostenlose Bücher