Königin der Schwerter
Worte nicht verstehen, aber sie sah die Enttäuschung in den Gesichtern der Me n schen und spürte, wie die Hoffnungslosigkeit auch nach ihr griff. Von der Zuversicht, die sie eben noch gespürt hatte, war nichts geblieben. Sie wusste, dass sie sterben würde, und fürchtete sich vor dem, was kommen mochte. Verzweifelt suchte sie nach einer Möglichkeit, der tödlichen Falle zu entkommen, doch für eine Flucht war es längst zu spät, denn schon im nächsten Augenblick erschütterte der Stoß eines Rammbocks das Tor …
»Aideen?« Jemand rüttelte sie unsanft an der Schu l ter. »Aideen, hörst du mich?«
»O … Orla?« Aideen blinzelte verwirrt.
»Was dachtest du? Ein Geist?« Orla lachte. Sie wirkte erleichtert. »Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du uns nicht gefolgt bist«, erklärte sie. »Und dann finde ich dich hier ohnmächtig vor.« Sie ve r stummte, schaute Aideen besorgt an und fragte. »Was ist gesch e hen? Fühlst du dich nicht gut?«
»Es geht schon wieder.« Erst jetzt bemerkte A i deen, dass sie auf dem Boden lag. Schmerzen hatte sie keine. Wie es aussah, war der Sturz glimpflich abgelaufen. Dankbar ergriff sie Orlas Hand, die ihr beim Aufst e hen behilflich war, und klopfte sich den Schmutz von der Kleidung. »Ich muss kurz das B e wusstsein verloren haben«, murmelte sie.
»Sieht ganz so aus.« Orla nickte. »Geht es wi e der?«
»Ja.« Verstohlen schaute Aideen sich um und lauschte, fand aber nirgends einen Hinweis auf die geisterhafte Stimme, die zu ihr gesprochen hatte. »Ich hätte heute vielleicht mehr essen sollen.«
»Essen ist immer gut.« Orla lachte und legte ihr freundschaftlich den Arm um die Schultern. »Komm mit. Mel hat unten sicher schon drei Bündel g e schnürt. Einmal müssen wir noch hier zum Felse n rund hinaufgehen, dann sind wir für heute fertig und kö n nen uns stärken.«
Aideen folgte ihr widerspruchslos. Sie versuchte so zu tun, als sei nichts geschehen, ihre Gedanken aber drehten sich im Kreis. Wer war die Stimme, die da zu ihr gesprochen hatte? Wovor wollte sie sie warnen? Sie überlegte, ob sie Bethia davon erzählen sollte, en t schied sich aber dagegen. Sie wusste noch zu wenig, und es bestand die Gefahr, dass die Seh e rin sie nicht ernst nahm. Aideen presste die Lippen zusammen und fasste einen Entschluss. Für Mel und Orla mochte es der letzte Aufstieg an diesem Abend sein. Für sie nicht. Sobald sie allein war, würde sie noch einmal zurüc k kehren, um herauszufinden, was es mit der Stimme auf sich hätte. Danach konnte sie Bethia immer noch d a von erzählen.
17
Als die Sonne unterging, sah Sandras Wohnung schon fast wieder ordentlich aus. Wohl fühlte sie sich de n noch nicht. Die Geborgenheit, die sie in ihren vier Wänden immer verspürt hatte, wollte sich auch nach dem Aufräumen nicht wieder einstellen. Nichts war mehr wie zuvor. Selbst mit verschloss e ner Tür fühlte sie sich plötzlich schutzlos und prei s gegeben.
Erschöpft warf sie sich auf ihr Bett und schloss die Augen. Sie spürte, wie die Müdigkeit nach ihr griff, und ließ sich treiben, aber gerade als sie kurz vor dem Einschlafen war, machte sich jemand an der Wo h nungstür zu schaffen. Der Einbrecher!
Wie elektrisiert schoss sie in die Höhe und starrte auf die Tür, die soeben langsam aufschwang.
»He, Sandra! Störe ich?« Manon steckte den Kopf hinein und grinste. »Hast du etwa geschlafen? Mitten am Tag?«
»Manon!« Sandra stieß einen erleichterten Laut aus, sagte dann aber leicht verärgert: »Was fällt dir ein, mich so zu erschrecken? Kannst du nicht kli n geln?«
»Klingeln? Warum?« Manon hob den Schlüssel in die Höhe. »Ich hab doch den hier. Außerdem hast du mich eingeladen. Schon vergessen? ›Komm vo r bei, wenn du kannst‹, hast du mir auf die Mailbox gespr o chen. Also, da bin ich.«
»Schon gut.« Sandra fuhr sich mit den Händen ü bers Gesicht. »Ich bin ja froh, dass du da bist. Setz dich. Ich mache uns einen Tee.« Sie stand auf und ging in die Küche.
Manon lehnte sich an den Kühlschrank. »Oh, du hast Post.«
Die Worte erinnerten Sandra wieder an die Bri e fe, die sie mit nach oben genommen hatte. Geöffnet hatte sie noch keinen davon. Warum auch? In Zeiten von E-Mails schrieb niemand mehr Briefe, die es wert waren, gelesen zu werden. Meist waren es Rechnungen oder Werbung. Lustlos nahm sie die Briefe zur Hand. Das Couvert mit den Kontoausz ü gen erkannte sie sofort und legte es ungeöffnet auf den Tisch zurück. Der Werbebrief für eine
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