Königin der Schwerter
Silfris lahme n den Hufabdruck alsbald ausfindig machen. Die Mä d chen hatten sich nicht die Mühe g e macht, die Spur zu verwischen. In schnurgerader Linie rührte sie vom Lagerplatz ins Hochland hinein.
Der Anblick machte Hákon die Entscheidung leicht. In aller Eile sattelte er seinen Braunen, klau b te die wenigen Dinge zusammen, die die Mädchen z u rückgelassen hatten, und preschte in das Hochland hinein. Ihm war wohl bewusst, dass ihn von jetzt an jeder sehen konnte. Aber das war ihm gleichgültig. Silfris Spur war kaum zwei Stunden alt und verriet, dass sich der Kaltblüter in einer gemächlichen Gangart fortbewegte. Hákon verdrängte den Geda n ken an die Gefahr, in die er sich brachte, und spornte sein Pferd zu einem Galopp an. Wenn er nur schnell genug war, dessen war er sich sicher, konnte er P e me und Tisea einholen, ehe die Dashken sie bemer k ten.
***
»Die müssen verrückt sein.« Kopfschüttelnd schaute Jolfur dem einsamen Reiter nach, der in gestrecktem Galopp aus dem Wald hinaus und ins Hochland preschte.
»Er ist ein Narr«, urteilte Bjarkar. »Und die Fra u en sind es auch. Kaum einer, der das Hochland betrat, kam lebend wieder heraus. Die Dashken we r den sie aufspüren und töten, ehe der Tag vorüber ist.«
»Was mögen sie dort suchen?« Jolfur runzelte die Stirn. Das Mädchen, das hinter der jungen Frau auf dem Pferd gesessen hatte, konnte nur wenig älter als seine eigene Tochter sein. Der Gedanke, dass die be i den Opfer der blutgierigen Schattenwölfe werden würden, stimmte ihn traurig.
»Was kümmert es dich?«, hörte er Bjarkar fragen. »Sie gehören nicht zu uns und folgen ihrem eigenen Schicksal.«
Jolfur nickte und gab den anderen ein Zeichen, dass es weiterging. »Ja, das tun sie wohl«, sagte er b e drückt, als spräche er zu sich selbst.
Sie marschierten weiter am Westrand des Waldes entlang, wo Bäume und Sträucher sie vor neugier i gen Blicken schützten. Der Morgen verrann unter ihren Schritten und ging fast unmerklich in den Nachmittag über, während sie ebenso unermüdlich wie vergeblich Ausschau nach dem Rebellenheer hielten.
»Ich möchte wissen, wann wir das Heer endlich finden.« Die Stimme aus der Gruppe war leise, aber gerade so laut, dass Jolfur sie hören musste.
»Finden? Pah! Ich glaube nicht mehr daran, dass es dieses Heer überhaupt gibt.« Auch die Antwort schien bewusst so laut ausgesprochen, dass sie Jolfur erreichte. Dieser bemerkte sehr wohl, dass die Worte ihm galten, aber er ging nicht darauf ein. Was hätte er auch sagen sollen? Er wusste ja selbst nicht, was sie in den ko m menden Stunden erwartete. Die hoffnungsvolle Zuve r sicht, die er seit dem Aufbruch aus den Bergen gespürt hatte, war dahin.
Jolfurs Gedanken arbeiteten wie ein Mühlrad, wä h rend er die Gruppe nach Norden führte. Er spü r te, dass es an der Zeit war, aufs Neue um das Ve r trauen der Männer zu werben. Gelang es ihm nicht, die Gruppe wieder zu einen, bestand die Gefahr, dass sie auseina n derbrach. Dann war alles verloren, wofür er …
Etwas zischte nur knapp an seinem Gesicht vo r bei und bohrte sich mit einem dumpfen Aufprall in den Baumstamm zu seiner Linken. Jolfur prallte zurück und strauchelte, aber Bjarkar war sogleich an seiner Seite und zerrte ihn wieder in die Höhe. Auch weiter hinten schienen den Männern Pfeile um die Ohren zu schwirren. Jolfur hörte sie rufen und fl u chen. Zwar wurde niemand getroffen, aber der Vo r marsch kam zum Erliegen.
Bjarkar war der Erste, der die Sprache wiede r fand. »Wer seid ihr?«, rief er in den Wald hinein, die Axt kampfbereit mit beiden Händen umklammernd. »Und was wollt ihr von uns?«
Niemand antwortete.
»Ihr elenden Feiglinge!« Bjarkars Miene verfin s terte sich. »Kommt heraus und zeigt euch!«
»Lass es gut sein, Bjarkar!« Jolfur hatte seinen Schrecken überwunden. »Wenn sie uns töten wol l ten, hätten sie es längst getan.«
»Dein Freund spricht die Wahrheit.« Unmittelbar vor ihnen teilte sich das Gebüsch, und ein hochg e wachsener Mann in sauberer, aber stark geflickter dunkler Kleidung trat aus dem Unterholz. Der kurz geschnittene Bart ließ ihn älter erscheinen, als er sein mochte, während ihm die schwarzen Haare o f fen auf die Schultern fielen. Obwohl unbewaffnet, kündete seine Haltung von großer Selbstsicherheit, die er ve r mutlich nicht zuletzt auf die Bogenschü t zen stützte, die immer noch im Wald lauern moc h ten. »Die Pfeile sind in der Tat nur eine Warnung«,
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