Königin der Schwerter
sind Leute im Wald«, sagte er leise.
»Wie viele?« Jolfur blickte alarmiert zum nahen Waldrand.
»Schwer zu sagen. Eine Handvoll vielleicht. Mehr nicht.«
»Gardisten?«, wollte Bjarkar wissen.
»Vermutlich nicht. Wir hörten eine Frauensti m me.«
Jolfur überlegte kurz und sagte dann: »Geh zu Reimir und sage ihm, er soll sie beobachten. Wer i m mer hier so spät noch im Wald unterwegs ist, hat g e wiss einen guten Grund dafür. Er soll aber vo r sichtig sein und sich nicht erwischen lassen. Ich brauche ke i nen Streit, der noch mehr Männern das Leben kostet.«
»Das ist nicht nötig.« Bjarkar erhob sich. »Ich we r de nachsehen. Die Abwechslung kommt mir gerade recht.«
Eine halbe Stunde später kehrte Bjarkar zurück.
Schon die Art, wie er sich bewegte, kündete d a von, dass keine Gefahr bestand. »Es sind ein Mann und zwei Frauen mit ihren Pferden«, berichtete er knapp. »Waldvolk vermutlich. Die eine Frau ist noch sehr jung, ein Kind fast. Sie scheinen Angst vor uns zu h a ben, denn sie bewegen sich sehr leise und machen e i nen großen Bogen um unser Lager. Was sie hier zu suchen haben, war nicht zu erke n nen. Eine Gefahr stellen sie jedoch nicht dar, denn sie haben kaum Wa f fen bei sich.«
»Wo sind sie jetzt?«, wollte Jolfur wissen.
»Sie haben fünfhundert Schritte entfernt ein Nach t lager im Wald errichtet. Ich habe den Wachen Anwe i sung gegeben, sie im Auge zu behalten.«
»Das ist gut.« Jolfur gähnte und streckte sich am Feuer aus. »Es ist spät«, sagte er und gähnte wieder. »Morgen liegt ein langer Marsch vor uns. Versuch ein wenig zu schlafen und grüble nicht so viel. Ich bin sicher, alles wird gut.«
***
Hákon, Tisea und Peme errichteten ihr Nachtlager im Schutz des Waldes und in sicherer Entfernung von den Lagerfeuern. Während die Mädchen schli e fen, hielt Hákon Wache. Kurz spielte er mit dem Geda n ken, noch einmal zu den Feuern zurückzukehren, um nac h zusehen, wer dort lagerte, aber er wagte es nicht, die beiden allein zu lassen, und beschränkte sich da r auf, die Fremden aus der Ferne zu beobac h ten.
Der Mond ging auf und tauchte das nebelverha n gene Hochland in silbernes Licht, während die Nacht voranschritt und dem Morgen entgegeneilte. Wie in den vorangegangenen Nächten sollte Peme ihn zur Mitte der Nacht bei der Wache ablösen. Aber wie schon zuvor zögerte er den Augenblick, da er sie wec k te, so lange wie möglich heraus. Zwar hatte Peme wä h rend des Ritts geschlafen und war ausg e ruht, aber sie war noch ein Kind und zudem sehr ängstlich. Es e r schien ihm als eine Zumutung, ihr die Verantwortung einer langen Nachtwache aufz u bürden.
Als das Grau im Osten langsam in ein zartes Rosa ü berging und die Sonne sich anschickte, den Hor i zont zu erklimmen, drohte der Schlaf Hákon zu überma n nen. Immer wieder nickte er kurz ein und schreckte alsbald wieder aus dem traumlosen Schlummer auf. Jetzt erst weckte er Peme, damit sie die Wache übe r nahm. Dann legte er sich nieder und war sofort eing e schlafen.
Als er erwachte, war er allein.
Tisea und Peme waren fort, ihre Habseligkeiten verschwunden, und auch Silfri graste nicht mehr n e ben seinem Braunen. Es dauerte einen Auge n blick, bis er die Lage wirklich erfasste. Zu ungeheuerlich e r schien ihm der Gedanke, dass sich die be i den ohne ein Wort des Abschieds einfach davong e macht hatten.
Er richtete sich zum Sitzen auf und schaute in Richtung der Lagerfeuer. Wer immer dort die Nacht verbracht hatte, war weitergezogen. Nur fünf schw e lende Flecken verbrannter Erde kündeten noch von ihrem Aufenthalt.
»Verdammt!« Hákon ballte die Hand zur Faust und hieb sie kräftig auf den Waldboden. Wieso hatte er nichts von Tiseas und Pemes Aufbruch bemerkt? Und wo waren sie hin?
Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass er weder Tiseas Ziel kannte noch wusste, warum sie das Wal d dorf verlassen hatte. Alles, was sie ihm gesagt hatte, war, dass sie so schnell wie möglich nach Norden ins Hochland wollte. Aber warum? Wen oder was suchte sie dort? Was erhoffte sie sich von dieser Reise? Wusste sie denn nicht, wie gefährlich es im Hochland war? Unzählige Fragen gingen Hákon durch den Kopf, die er Tisea längst hätte ste l len müssen. Jetzt war sie fort, und er würde keine Antworten mehr bekommen.
Bei dem Gedanken fasste Hákon einen En t schluss. Mit einem Satz war er auf den Beinen und suchte die Umgebung des Lagers nach Spuren ab. Der Boden war hart und trocken, dennoch konnte er
Weitere Kostenlose Bücher