Königin des Lichts: Drei Romane in einem Band (German Edition)
weich wie Seide war. »Sie kann blenden.« Er wandte sich um und sah auf sie herab. »So wie du mich blendest.«
»Als Kind hatte ich einen alten Lehrer, der die ganze Welt bereist hatte. Er erzählte mir von großen Gräbern in einer Wüste, in der die Sonne gnadenlos brannte, von grünen Hügeln, in denen Wildblumen blühten und warmer Regen fiel. Von weiten Meeren mit riesigen Fischen, die ganze Schiffe verschlucken konnten und über denen Drachen mit silbernen Schwingen flogen. So viele wunderbare Dinge lehrte er mich, aber von den Wundern, die du mir eröffnet hast, sprach er nicht.«
»Für mich hat es nie eine andere gegeben. Keine wie dich. So etwas habe ich noch nie erlebt.«
Als sie die Aufrichtigkeit in seinem Blick sah, zog sie ihn an sich. »Zeig mir mehr.«
Während sie sich liebten, sprang die erste grüne Knospe an einem vertrockneten Stängel unter der Eisschicht auf und entrollte sich zu einem einzigen zarten Blatt. Eine zweite Knospe begann zu entstehen.
Als er erwachte, war sie fort. Zuerst verwirrte ihn das, denn normalerweise hatte er den leichten Schlaf eines Soldaten. Sie hatte das Feuer für ihn geschürt und seine Kleider ordentlich gefaltet auf die Truhe am Fußende des Bettes gelegt.
Offenbar hatte er nur ein oder zwei Stunden geschlafen, aber wie ein Stein. Seine Liebste kannte keine Müdigkeit und hatte die ganze Nacht hindurch immer wieder neue Lektionen verlangt.
Schade, dass sie nicht ein wenig länger im Bett geblieben war, dann hätte er ihr noch ein wenig Unterricht geben können.
Er stand auf und zog die Vorhänge zurück. Der Tag musste schon fortgeschritten sein, denn Deirdres Leute gingen draußen ihrer Arbeit nach. Dem matten, weichen Licht konnte er nicht entnehmen, wie spät es war, da es sich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang kaum veränderte. Himmel und Sonne waren stets von einem weißen Schleier überzogen. Selbst jetzt rieselte Schnee vom Himmel.
Wie ertrug sie das? Kälte und Trostlosigkeit tagaus, tagein. Wie gelang es ihr, nicht nur bei klarem Verstand zu bleiben, sondern sogar zufrieden zu sein? Warum war eine solch gute, liebevolle Königin dazu verdammt, ihr Leben ohne Wärme zu verbringen?
Er wandte sich um und musterte eingehend das Zimmer, dem er am Vorabend nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt
hatte. Damals hatte er nur sie gesehen. Jetzt fiel ihm auf, wie einfach sie lebte. Die Stoffe waren kostbar, jedoch alt und verschlissen.
Im Speisesaal hatte es Silber und Kristall gegeben, aber hier waren die Kerzenleuchter aus schlichtem Metall, und sie wusch sich in einer plumpen Tonschüssel. Bett, Truhe und Schrank zeigten wunderschöne Schnitzereien mit Rosenmotiven, aber es gab nur einen einzigen Stuhl und Tisch.
Nirgends waren schöne Flakons, Seidenstoffe oder Schmuckkästchen zu entdecken.
Sie hatte dafür gesorgt, dass sein Gästezimmer seinem Rang entsprechend ausgestattet war, aber sie selbst lebte spartanisch wie eine Bäuerin.
Die Gemächer der Hofdamen seiner Mutter waren üppiger ausgestattet als die dieser Königin. Dann sah er das Feuer und spürte einen Klumpen in der Magengrube. Ein Teil des Mobiliars musste als Brennstoff verwendet worden sein, und aus den Stoffen hatte sie vermutlich Kleidung für ihr Volk anfertigen lassen.
Zum Abendessen hatte sie Schmuck getragen. Er sah immer noch vor sich, wie die Edelsteine an ihr funkelten und glänzten. Aber was nützten ihr Diamanten und Perlen? Sie konnten weder verkauft noch eingetauscht werden und ließen sich auch nicht essen.
Das Feuer der Diamanten schützte nicht vor der Kälte.
Er wusch sich mit dem Wasser, das sie für ihn bereitgestellt hatte, und kleidete sich an.
Dann entdeckte er den vom Alter verblichenen einzelnen Wandteppich. Ihr Rosengarten in voller Blüte. In Seide wirkte er so prächtig, wie er ihn sich vorgestellt hatte. Ein üppiges Paradies in der Fülle des Sommers.
Eine Frau saß auf einer der Edelsteinbänke unter den ausladenden Ästen des großen Busches, der von Blüten übersät war. Zu ihren Füßen kniete ein Mann und reichte ihr eine einzelne rote Rose.
Als er mit den Fingern über die seidenen Fäden fuhr, hätte er sein Leben dafür gegeben, ihr auch nur eine einzige rote Rose schenken zu können.
Ein Diener führte ihn zu Phelans Zimmer, das der junge Barde mit einer Gruppe anderer Jungen teilte. Die anderen waren unterwegs, aber Phelan saß im Bett und ließ sich von Deirdre verwöhnen. Das Zimmer war klein und schlicht eingerichtet, doch
Weitere Kostenlose Bücher