Königliche Republik (German Edition)
dabei in ihr aus. „Ich bin Soldat.“
„Aber
es ist doch nicht immer Krieg.“
Wieder
der Schatten in seinen Augen; nun hatte sie ihn gewiss wieder traurig
gemacht. „Ich kann mich nicht erinnern, dass es eine Zeit ohne
Krieg gegeben hätte.“
„Dann
müsstet Ihr hier leben.“ Erleichtert atmete sie auf; nun
war sie wieder auf vertrautem Terrain. „Bis jetzt ... Bis zu
diesem Sommer war hier Frieden. Die alten Zerstörungen, die Ihr
in Neapel seht, stammen von dem großen Erdbeben. Und außerhalb
der Stadt vom Vesuv.“
„Das
ist gefährlicher als ein Krieg. Vor den Gewalten der Natur kann
man sich nicht verteidigen.“
„Der
Berg meldet sich rechtzeitig. Meine Eltern und Dario konnten vor den
Aschewolken fliehen; hinunter ans Meer nach Pozzuoli. Aber ich bin
froh, dass es vor meiner Geburt war. Es ist sechzehn Jahre her, dass
der Vesuv das letzte Mal erwacht ist. Seither sieht er so abgesägt
aus. Der Ausbruch hat die Bergspitze abgesprengt.“ Sie blickte
sich nach einem Platz für ihre Tasse um. Als sie Anstalten
machte, sie auf die Erde zu stellen, nahm er sie ihr ab. Sie war
sicher, dass er sie dieses Mal absichtlich berührte.
Während
er die Tasse auf den Tisch stellte, lehnte sie sich in ihrem Stuhl
zurück. Der Oberrock rutschte höher und eine Schuhspitze
ragte darunter hervor. Sie dachte nicht daran, sie zurückzuziehen.
„Werdet Ihr mit dem Herzog in Neapel bleiben?“
„Ihr
seid wirklich neugierig.“ Dieses Mal klang es nicht nach einer
Abfuhr und sie verzieh ihm.
Er
läutete nach einem Diener.
Auch
dieser Lakai hatte schon im Dienst des Vizekönigs gestanden.
Edoardo zündete die Kandelaber an, die an den Wänden hingen
und auf den Kommoden standen.
Alexandre
beobachtete ihn dabei, genauso wie sie selber. Müsste er nicht
gelernt haben, in jeder Situation gewandt aufzutreten? Felipe würde
nicht schweigend herumsitzen. Jedenfalls hatte er das in ihrer
Gesellschaft nie getan; er hatte immer eine Anekdote zu erzählen
gehabt oder einen Scherz gewusst. Während sie Alexandre
anblickte, konnte sie sich plötzlich nicht mehr richtig an
Felipes Gesicht erinnern.
„Soll
Edoardo Ihr etwas bringen?“ Beeindruckend, wie umstandslos er
wieder ins Italienische wechselte.
„Signor
Marquis, Seine Exzellenz hat soeben Abendessen für seine Gäste
befohlen. Sie werden wohl noch lange ... Wenn Er der Signorina die
Zeit vertreiben will ... Signorina Scandore ist eine vorzügliche
Billard-Spielerin.“ Edoardo senkte den Blick. „Verzeih
Sie mir, Signorina, wenn ich etwas Falsches gesagt habe.“
„Wo
kann man in diesem Schloss Billard spielen?“
Mirella
sprang auf. „Ich zeige es Ihm, wenn Er möchte.“
Alexandre
lachte sein warmes Lachen. Es veränderte ihn völlig. Wie er
als Junge gewesen sein mochte? Vor der Hinrichtung seines Vaters?
Er
nahm einen der großen Kandelaber und wandte sich an Edoardo.
„Er sage uns Bescheid, wenn gegessen wird.“
Edoardo
öffnete ihnen die Tür und Mirella deutete zur Treppe. Aber
nach zwei Schritten blieb sie zögernd stehen. „Ich
fürchte, man hat dort nicht geheizt.“ Eben war sie auch
schon mit ihm allein gewesen; aber das Vorzimmer des Dogen war kein
abgelegener Billard-Saal in einem halb verwaisten Schloss.
Montag, 2. Dezember 1647
Auf
Ritas Geheiß begleitete Mirella Gina zum Einkaufen. Rita traute
ihr nicht mehr zu, vernünftige Preise herauszuschlagen.
Gegenüber
der Basilica del Carmine hatte ein Bauer in einer Ecke der
Piazza ein kleines Gatter eingerichtet, in dem seine Gänse
herumwatschelten. Mirella blieb am Zaun stehen. Sofort kamen die
Gänse mit halb ausgebreiteten Flügeln angerannt und reckten
ihr schnatternd ihre Hälse entgegen.
Der
Bauer erhob sich von seinem Schemel. „Wie viele Gänse
möchte die Signorina für ihre Familie?“ Er beugte
sich nach einer und hielt sie am Hals hoch. „Noch ganz jung.
Ganz zart.“
„Und
ganz mager.“ Mirella lachte. „Wann hat Er sie das letzte
Mal gefüttert?“
Die
Miene des Bauern verfinsterte sich. „Das sage Sie nicht,
Signorina. Die Gänse haben es gut bei mir.“
„Warum
verkauft Er sie dann schon jetzt? Mästet sie nicht bis zum
Christfest?“
„Um
sie hier in der Stadt zu verkaufen. Bevor einer darauf Anspruch
erhebt, dem ich die Pest an den Hals wünsche.“
Er
klemmte sich die flatternde Gans unter den Arm und hielt sie ihr vors
Gesicht. „Das ist alles Fleisch, gutes Fleisch unter den
Federn. Und Ihr Kissen kann Sie dann auch auffüllen für
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