Königliche Republik (German Edition)
Tür.
Wenn
es das doch wäre! Mirella sah ihr verzweifelt hinterher. Das war
es auch; oder nicht? Sie spürte den Druck von Alexandres warmen
Händen auf ihren Fingern.
Freitag, 27. Dezember 1647
„Je
weniger Leute davon wissen, desto mehr Spielraum bleibt“, hatte
der Comte de Modène gesagt, als er Enzo die Genehmigung für
Mirellas Besuch im Torrione übergab. Darum fuhr Enzo
jetzt die Kutsche selbst.
Neben
Mirella saß Rita. Sie hatte darauf bestanden mitzukommen
und brachte Mirella jetzt an den Rand des Wahnsinns mit ihrem
Gejammer.
„Mamma,
so hör Sie endlich auf! Ich kann ja gar nicht nachdenken!“
„Wie
sprichst du mit mir?“ Rita blitzte sie zornig an. „Du
hast die ganze Zeit mit Dario unter einer Decke gesteckt!“
Mirella
schloss die Augen. „Mamma! Bitte!“
Rita
schwieg schließlich. Erst als Enzo am Torrione Mirella
aus der Kutsche half, öffnete sie wieder den Mund. Aber jetzt
war es an Enzo, ihr einen Blick zuzuwerfen, der sie schweigen hieß.
Mirella
folgte ihm zum Tor; mit jedem Schritt wuchs ihre Angst. Was erwartete
sie dort?
Er
ließ den schweren Türklopfer anschlagen; dann drehte er
sich zu ihr um und nahm sie fest in die Arme. „Wir warten hier
auf dich.“ Er zitterte mehr als sie selbst, als er sie an sich
drückte. „Meine tapfere Kleine. Pass auf, was du sprichst.
Vielleicht hängt alles davon ab.“
Ein
Riegel quietschte, als er zurückgezogen wurde. Dann drehte sich
knarrend ein Schlüssel.
Mirella
zitterten die Knie. Doch sie befreite sich aus Enzos Armen und
richtete sich kerzengerade auf.
Ein
Milizionär Anneses stand neben dem Tor, dahinter ein schwarz
gekleideter Mann. Ein Tintenfleck neben dem Mund verriet ihn als
Schreiber.
Die
Wache trat zur Seite.
„Signore,
Er wünscht?“
Enzo
zog den Passierschein aus der Manteltasche und hielt dem Schreiber
das Siegel vors Gesicht. „Meine Tochter hat die Erlaubnis des
Dogen, ihren Bruder zu sprechen.“
Der
Schreiber nahm Enzo das Papier ab, zog einen Zwicker hervor und
setzte ihn auf. Er studierte das Papier und murmelte dabei die Worte
mehrmals hintereinander, als wolle er sie auswendig lernen. „Das
hatten wir noch nie!“ Er musterte Mirella von unten bis oben.
„Sie wird ihre feinen Kleider schmutzig machen! Eine Dame wie
Sie hatten wir noch nie.“ Er kratzte sich hinter dem Ohr. „Sie
sieht ihm nicht sehr ähnlich. Ist Sie wirklich die Schwester?“
Enzo
begann rot anzulaufen, ein sicheres Zeichen, das er gleich aus der
Haut fahren würde.
Mirella
erschrak; schnell trat sie vor ihn und reckte ihren Kopf noch ein
wenig höher. „Wird Er dem Befehl des Dogen nun folgen und
mich einlassen?“
Fast
hätte sie gegrinst, als der Schreiber einen halben Schritt vor
ihr zurückwich und sich ein wenig verneigte.
„Selbstverständlich, Signorina. Bitte hier, Signorina.“
Noch nie hatte sie so mit jemandem gesprochen. Es stimmte also, dass
Arroganz sich auszahlte.
Doch
gleich darauf stieg wieder Angst in ihr hoch. Der Schreiber führte
sie durch einen dunklen Korridor zu einer langen Treppe, auf deren
steinernen Stufen ihre Schritte laut widerhallten. Als wollte es das
Echo dazu geben, schlug ihr Herz mit jedem Schritt heftiger. Bald
waren ihre Hände schweißnass; sie wischte sie aneinander
ab.
Der
Keller war dagegen aus gestampfter Erde; ein lehmiger Boden, auf dem
an vielen Stellen das Wasser stand. Der Gang wurde spärlich von
einzelnen qualmenden Fackeln erleuchtet und ging um mehrere Ecken.
Zuweilen entschwand der Schreiber ihrem Blick und sie hörte nur
noch das Klirren seiner Schlüssel. Sie beeilte sich, Schritt zu
halten, denn er nahm keine Rücksicht. Die Wände rückten
immer dichter an sie heran, je weiter sie kamen. Darum hatte er
gesagt, sie würde sich ihre Kleider schmutzig machen. Sie
wickelte ihre Röcke enger um sich, aber es mochte wenig nützen.
Von Zeit zu Zeit traf sie ein Tropfen ins Gesicht. Ihre Schuhe sogen
sich mit Wasser voll und ihre Füße wurden eiskalt. Dann
ging es eine Schräge hinab, die im Fackellicht schmierig-feucht
schimmerte. Unwillkürlich streckte sie die Hand nach einem
Geländer aus, um nicht darauf auszurutschen; aber es gab
natürlich keines.
Sie
blickte zurück und ein Schauer lief ihr über den Rücken.
Wenn dieser Mann es nicht wollte, würde sie nie wieder den Weg
nach draußen finden.
Endlich
blieb er vor einem hohen Eisengitter stehen und hängte die
Fackel an die Wand daneben. Er löste den Schlüsselbund von
seinem Gürtel und benutzte beide
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