Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
anberaumt, aber als man die Leiche bis Mittwoch nicht gefunden hatte, überlegte ich es mir anders und beschloss, mich auf den Weg zu machen.
Es regnete heftig an dem Morgen, als wir über den Berg zum Pearls Airport auf der anderen Seite der Insel fuhren. Auf Grenada gibt es an den Straßen nirgends Tempolimitschilder. Man kann so schnell fahren, wie man will, oder zumindest so schnell, wie das Auto es aushält. Die Schlaglöcher sind zwar viereckig, seit die Army eingerückt ist, aber manche von ihnen sind noch immer zwei Meter tief, und sogar die kleinen können jede Achse brechen.
Es gibt drei Arten, auf diesen Straßen zu fahren, und die ersten beiden hängen gewöhnlich davon ab, ob man Besitzer des Autos ist oder es gemietet hat. Ein neuer Mitsubishi kostet auf Grenada um die zweiundzwanzig Riesen, und die Leute, die so einen Wagen besitzen, neigen dazu, jede Menge Zeit im zweiten Gang
zu verbringen und zwischen den Schlaglöchern entlangzukriechen wie Schnecken auf einem Minenfeld.
Die Mietwagenfahrer benutzen gern den dritten Gang, kümmern sich nicht um irgendwelche Schäden und brettern los wie die Bekloppten, zumindest bis sie Nierenbluten kriegen – und wenn ihnen der Wagen in der Mitte durchbricht, lassen sie sich einen neuen geben. Die Straßen sind übersät von Autowracks, von Datsun-Limousinen bis zu sowjetischen Militärlastern, allesamt bis aufs Gerippe ausgeweidet. Zuerst muss immer das Radio dran glauben, dann folgen Wagenheber und Räder und alle leicht zu entfernenden Motorteile, und schließlich der Motorblock selbst, weil er einen Mordsanker für ein Küstenfischerboot abgibt. Rückspiegel können an der Badezimmerwand angebracht werden, um beim Rasieren hilfreich zu sein, und die Sitze aus einem neuen Toyota erweisen sich als elegantes Verandamobiliar für die ganze Familie.
Ich merke, wenn sich Kräfteverhältnisse verschieben.
Richard J. Daley, Bürgermeister von Chicago, 1968
Die Invasion auf Grenada war so recht nach dem Herzen des Mittleren Westens. Eine gefällige Mischung aus Showbusiness, Nötigung und spitzenmäßigem politischem Verrat, und sogar Abe Lincoln hätte den Schritt bewundert – und wenn auch nur wegen seiner schnellen Durchführung. Schließlich befinden wir uns in einem Wahljahr, und nicht nur der Präsident allein möchte wiedergewählt werden. Der gesamte Kongress steht zur Wahl, zusammen mit einem Drittel des Senats; und es erscheint mehr als unklug, im Wahljahr in seinen Bezirk heimzukehren und die Weisheit eines amtierenden Präsidenten infrage zu stellen, der die erste erfolgreiche Militärinvasion der Vereinigten Staaten seit der Landung 1950 in Inchon, Korea, durchgezogen hat.
An meinem letzten Abend im St. George’s Hotel erhielt ich in der Lobby ein Ferngespräch von einem Mann, der für die Handelskammer
in Chicago arbeitet. »Komm ja nicht mit deinem liberalen Scheißgeschwätz über die Unterdrückung der Dritten Welt hierher zurück«, sagte er. »Ihr versoffenen Säcke habt lange genug euren Willen gehabt. Es wird allmählich Zeit, dass ihr zur Abwechslung mal die Wahrheit erzählt.«
Als Botschafter nach Kuba
Ich habe gerade vom Leiter der Kubanischen Filmkommission die Einladung bekommen, Havanna zu besuchen, und mein Herz ist beklommen vor Furcht. Anfangs war ich überglücklich, aber dann habe ich ein wenig recherchiert, und mir wurde mulmig zumute. Mehr und mehr lähmten mich Angst en Walging , wie die Niederländer sagen. Je mehr Fragen ich stellte, desto erschreckender wurden die Antworten. Was mir anfangs noch wie die beglückende Aussicht auf ein idyllisches Erlebnis vorkam, verwandelte sich auf unheimliche Weise direkt vor meinen Augen in die Gewissheit, dass ich mit entsetzlichen Erfahrungen auf den Schattenseiten des tropischen Lebens rechnen musste. Alles, was ich erfuhr, überzeugte mich davon, dass man mich wie eine Weihnachtsgans ausnehmen, verhaften und wegen Landesverrats einsperren würde.
MEMO AUS DER KUBA-REDAKTION
HST/30. MÄRZ 1999
Lieber Jann,
die Maschine nach Kuba startet um 0930 & ich bin mächtig aufgeregt. Es wird dich freuen zu erfahren, dass ich weder Kosten
noch Mühen scheue und mich mit meinem Schreibtisch für die nächsten beiden Wochen auf Kuba einrichte. Wir sind bestens organisiert. Den Job hab ich im Griff, und die Zeichen könnten nicht besser stehen. Der Mond steht in der Venus & Mescalito ist aufsteigend. Die Nächte sind jetzt stockdunkel, ideal für unsere Zwecke. Kein
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