Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
ich als Redakteur an. Ich schrieb lange Geschichten im Stil von Grantland Rice (amerikanischer Sportjournalist, 1880–1954, bekannt für idealisierte Überhöhung von Sportlern). Der Sportredakteur des Louisville Courier-Journal in meiner Heimatstadt hatte immer eine ganze Spalte zur Verfügung, links auf der Seite – also begann ich auch eine Kolumne.
Ende der zweiten Woche hatte ich die Sache im Griff. Ich konnte nachts arbeiten. Ich trug Zivil, arbeitete außerhalb der Basis, musste mich nicht an feste Zeiten halten, schuftete aber ohne Unterlass. Ich schrieb nicht nur für die Zeitung unserer Basis, sondern auch für die Lokalzeitung The Playground News . Da brachte ich alles unter, was ich in der Zeitung der Basis nicht veröffentlichen konnte. Die echten Hetztiraden. Ich schrieb auch für ein Mitteilungsblatt der Profiringer. Bei der Air Force wurde man deswegen sehr wütend. Ich verletzte ständig irgendwelche Dienstvorschriften. Ich schrieb eine kritische Kolumne darüber, dass Arthur Godfrey, den man eingeladen hatte, als Ehrengast an einer Waffenstärke-Demonstration auf der Basis teilzunehmen, angezeigt worden war, weil er in Alaska Tiere aus der Luft gejagt hatte. Der Kommandant der Basis sprach mich an: »Verdammt, Sohn, warum musstet du denn bloß dieses Zeug über Arthur Godfrey schreiben?«
Als ich die Air Force verließ, traute ich mir zu, als Journalist zurechtzukommen. Also bewarb ich mich um einen Job bei Sports Illustrated . Ich hatte meine Mappe mit ausgewählten Artikeln dabei und – optimistisch, wie ich war – auch meinen Pass. Der Personalchef lachte mich nur aus. Ich sagte: »Moment, ich war Sportredakteur bei zwei Zeitungen.« Er klärte mich auf, dass ihre
Journalisten nicht daran gemessen wurden, was sie geschrieben hatten, sondern wo sie es getan hatten. Er sagte: »Unsere Autoren sind alle Pulitzer-Preis-Gewinner von der New York Times . Hier bei uns zu starten ist eine verdammte Schnapsidee. Gehen Sie erst mal in die Provinz und üben Sie eine Weile.«
GP: Schließlich verschlug es Sie nach San Francisco. Als Hell’s Angels 1967 veröffentlicht wurde, muss Ihnen das doch Auftrieb gegeben haben.
HST: Urplötzlich war ein Buch von mir erschienen. Ich war damals neunundzwanzig Jahre alt und konnte in San Francisco noch nicht mal einen Job als Taxifahrer kriegen, geschweige denn als Schreiber. Klar, ich hatte beachtenswerte Artikel für The Nation und The Observer geschrieben, aber nur einige wenige gute Journalisten kannten meinen Namen. Das Buch ermöglichte es mir, eine nagelneue BSA G50 Lightning zu kaufen – der angestrebte und gerechte Lohn für all meine bisherige Arbeit. Wenn es mit Hell ’ s Angels nichts geworden wäre, hätte ich niemals Fear and Loathing in Las Vegas oder irgendwas anderes schreiben können. In diesem Land seinen Lebensunterhalt als freiberuflicher Autor zu verdienen ist verdammt hart; das schaffen nur sehr wenige. Hell ’ s Angels zeigte mir mit einem Mal, dass ich es vielleicht schaffen konnte. Ich wusste, dass ich ein guter Journalist war. Ich wusste, dass ich ein guter Schreiber war, aber ich hatte das Gefühl, gerade noch durch die Tür geschlüpft zu sein, bevor sie zufiel.
GP: Die Szene in San Francisco brachte so manches ungleiche Paar zusammen – zum Beispiel Sie und Allen Ginsberg. Wie haben Sie Allen damals kennen gelernt?
HST: Ich traf Allen in San Francisco, als ich einen Dealer aufsuchte, der das Gras unzenweise verkaufte. Ich weiß noch, er verlangte zehn Dollar, als ich die ersten Male in seiner Wohnung aufkreuzte, aber später stieg der Preis dann auf fünfzehn. Schließlich ging ich ziemlich oft dorthin, und Ginsberg – das war in Haight-Ashbury – war auch immer da, um Gras zu kaufen. Ich
ging zu ihm und stellte mich vor. Wir unterhielten uns lange, und ich erzählte ihm von dem Buch, das ich schrieb. Schließlich fragte ich ihn, ob er mir dabei helfen wollte. Mehrere Monate lang tat er das auch, und so lernte er die Hell’s Angels kennen. Gemeinsam haben wir oft Ken Kesey in La Honda besucht.
Eines Samstagnachmittags fuhr ich den Küstenhighway von San Francisco nach La Honda hinunter und hatte Juan, meinen zweijährigen Sohn, dabei. Eine großartige Mischung von Leuten hatte sich dort versammelt. Allen Ginsberg, die Hell’s Angels – und die Cops waren auch da, um einen Krawall der Angels zu verhindern. Sieben oder acht Polizeiwagen. Keseys Haus stand, von der zweispurigen Asphaltstraße aus gesehen, auf der
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