Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
anderen Seite eines Bachs, umgeben von einem großen Grundstück. Es war ziemlich irre dort. Sie hatten überall in den Bäumen riesige Lautsprecher angebracht, und manche davon hingen an Drähten über der Straße, sodass man einem grauenvollen Ansturm von Lärm ausgesetzt war. Die Musik dröhnte so laut, dass man kaum die eigenen Gedanken hören konnte – Rock ’n’ Roll auf höchster Dezibelstufe. An jenem Tag hatten die Cops schon vor der Ankunft der Angels damit begonnen, jeden festzunehmen, der das Gelände verließ. Ich befand mich am Haus; Juan schlief friedlich auf dem Rücksitz unseres Wagens. Es war ein Skandal: Die Cops kassierten einen nach dem anderen. Man konnte sie in einer Entfernung von ungefähr hundert Metern sehen, und es war brutal, wie sie sich die Leute krallten. Allen sagte: »Weißt du was – wir müssen was dagegen unternehmen.« Ich stimmte ihm zu, und mit Allen auf dem Beifahrersitz und dem schlafenden Juan hinten drin fuhr ich los und hinter den Cops her, die gerade wieder jemanden hopsgenommen hatten, den wir kannten und der das Gelände nur verlassen hatte, um in ein Restaurant oben an der Ecke zu gehen. Dann nahmen die Cops uns aufs Korn. Schon bei ihrem Anblick legte Allen mit seinem Summen los, seinem »OM«-Gebrumme. Er wollte sie in die Flucht summen. Ich sprach sie als Journalist an: »Was geht hier vor, Officer?« Allens Gesumme sollte wie eine buddhistische Schutzmauer wirken und die schlechten Schwingungen abprallen lassen, die von den Cops ausgingen. Er weigerte sich, mit ihnen zu sprechen, sondern intonierte unentwegt und sehr laut sein »Om! Om! Om!« Ich musste den Cops erklären, wer er war und warum er das tat. Einer warf einen Blick hinten in den Wagen und fragte: »Was ist denn das da? Etwa ein Kind?«, und ich sagte: »Oh, ja, ja. Das ist mein Sohn.« Während Allen weiterhin sein »Om« summte, ließ man uns ziehen. Das war mal ein vernünftiger Cop, dachte ich mir – überprüft einen Dichter, einen Journalisten und ein Kind. Hat aber wahrscheinlich nie kapiert, was Ginsberg eigentlich wollte. Es klang wie das Summen einer Biene. Es war einer der verrücktesten Auftritte, die ich je erlebt habe, aber fast jeder Auftritt mit Allen war auf die eine oder andere Weise irre.
Juan mit 3 (HST)
GP: Hat sonst noch ein Autor der Beat Generation Ihre Art zu schreiben beeinflusst?
HST: Jack Kerouac hat mich als Autor ziemlich beeinflusst … in jenem arabischen Sinne, dass der Feind meines Feindes mein Freund ist. Kerouac hat mir gezeigt, dass man es hinkriegen kann, über Drogen zu schreiben und veröffentlicht zu werden. Es war möglich , und ich hätte von Kerouac eigentlich erwartet, dass auch er um des gemeinsamen Anliegens willen in Haight-Ashbury erschien, einfach als eine symbolische Geste. Ginsberg war dort, also erschien es irgendwie selbstverständlich, auch von Kerouac zu erwarten, dass er auftauchte. Aber nein – Kerouac ist zu seiner Mutter nach Hause gefahren und hat 1964 für Barry Goldwater gestimmt. Daraufhin kam es zum Bruch zwischen uns beiden. Ich hab nie versucht, wie er zu schreiben, aber ich hab erkannt, dass ich ebenso wie er veröffentlicht werden konnte und dass es zu schaffen war, die eisige Ablehnung des Ostküstenestablishments zu knacken. So ging es mir auch mit Hemingway, als ich von ihm erfuhr und las, was er schrieb. Ich dachte, Jesus Christus, manche Leute kriegen das hin . Natürlich hat mich
Lawrence Ferlinghetti beeinflusst – sowohl seine wunderbaren Gedichte wie das Engagement für seine City-Lights-Buchhandlung in North Beach.
GP: Was ist für Sie der Reiz daran, ein »Outlaw«-Autor zu sein?
HST: Normalerweise schreibe ich einfach nur, worauf ich Lust habe, was mir gefällt. Wenn es dann zufällig gegen das Gesetz verstößt, könnte ich ein Problem bekommen. Aber ein Outlaw ist schon von der Definition her jemand, der außerhalb des Gesetzes lebt. Er lebt jenseits des Gesetzes und nicht notwendigerweise im Konflikt mit dem Gesetz. Das ist eine ziemlich alte Auffassung und sie geht zurück auf die skandinavische Geschichte. Leute wurden zu Geächteten erklärt, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und in fremde Länder verbannt – ins Exil. Sie lebten außerhalb des Gesetzes in ihren Gemeinwesen überall in Grönland und Island, wohin auch immer es sie verschlagen hatte. Außerhalb des Gesetzes der Länder, aus denen sie stammten – ich glaube nicht, dass sie es darauf angelegt haben, Outlaws zu sein … Ich
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