Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
Denn ich war ja kein Gewerkschafter
Dann kamen sie mich holen –
Und da gab es keinen mehr
Der protestieren konnte
Pastor Niemöller (Nazi-Opfer)
SCHULD DURCH MITTÄTERSCHAFT IM
MITTELPUNKT DES AUMAN-FALLS
Ref 1
VON KAREN ABBOTT, REDAKTION
ROCKY MOUNTAIN NEWS, 29. APRIL 2002
Lisl Auman aus Colorado hat eines gemeinsam mit dem Mann, den die Agenten der Bundespolizei als 20. Flugzeugentführer am 11. September bezeichnen. Beide befanden sich nämlich in polizeilichem Gewahrsam, als andere die spektakulären Verbrechen begingen, deretwegen sie in die schlimmste Bredouille ihres Lebens gerieten.
Auman saß 1997 in Handschellen auf dem Rücksitz eines Polizeifahrzeugs, als ein Mann, den sie noch
nicht einmal einen Tag lang kannte, den Polizeibeamten Bruce VanderJagt aus Denver erschoss. Trotzdem wurde sie des Mordes für schuldig befunden und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Zacarias Moussaoui, ein französischer Staatsbürger marokkanischer Abstammung, befand sich letztes Jahr wegen mehrerer Verstöße gegen die Einwanderungsbestimmungen im Gefängnis, als andere die terroristischen Angriffe vom 11. September durchführten, wegen derer die Bundesanwälte Moussaoui jetzt hinrichten lassen wollen.
Er befindet sich noch immer im Gefängnis, wo er auf eine Gerichtsverhandlung in Virginia wartet. Dort soll er angeklagt werden, an einer Verschwörung teilgenommen zu haben, die zum Ziel hatte, jene Angriffe durchzuführen, bei denen Tausende getötet wurden.
Auman, 26, sitzt in einem Staatsgefängnis hinter Gittern. Sie hat Einspruch gegen ihre Verurteilung erhoben in einem Fall, der ebenfalls landesweites Aufsehen erregt hat. Das Berufungsgericht von Colorado hat die erste Einvernehmung für Dienstag anberaumt.
Moussaoui dürfte bei den meisten Amerikanern wenig Mitgefühl wecken, aber bei Auman könnte es anders sein.
“Auf den Fall Lisl Auman reagiert man doch instinktiv mit einem ‘Das ist nicht fair’”, sagte David Lane, Anwalt aus Denver.
Die Verteidiger sagen, dass sowohl Auman wie Moussaoui in ungerechtfertigter Weise von den Behörden ins Visier genommen wurden. Diesen ginge es ausschließlich darum, Sündenböcke für abscheuliche Verbrechen zu finden, deren Täter sich durch
den eigenen Tod dem Zugriff des Gesetzes entzogen hatten.
Die neunzehn Entführer starben, als die vier von ihnen gesteuerten Flugzeuge die Türme des World Trade Center rammten, im Pentagon einschlugen oder auf ein Feld in Pennsylvania stürzten.
VanderJagts Mörder, Matthaeus Jaehnig, erschoss sich gleich nach seiner Tat mit der Waffe des Beamten.
Sowohl Auman wie Moussaoui stehen beispielhaft für ein schon lange geltendes Prinzip amerikanischer Rechtssprechung: Man braucht nicht abzudrücken, nicht das Flugzeug zu entführen, in der Nähe zu sein oder überhaupt die Absicht zu haben, jemanden zu töten, um mit harter Bestrafung rechnen zu müssen. Mitgefangen, mitgehangen.
“Der Theorie nach ist jemand auch dann, wenn er praktisch gar nicht Hand anlegte, ebenso strafbar wie der Täter”, sagte der Verteidiger Phil Cherner aus Denver, Präsident der Strafverteidigervereinigung von Colorado.
Eine Jury in Denver verurteilte Auman wegen “felony murder” – einem Mord, begangen während einer anderen schwerwiegenden Straftat oder der Flucht unmittelbar danach. Das Urteil erfolgte gemäß der juristischen Grundsätze, dass sie für VanderJagts Tod verantwortlich war, weil sie zuvor einen gemeinsamen Einbruch arrangiert hatte.
Auman bediente sich der Hilfe Jaehnigs, um in die Wohnung ihres ehemaligen Freundes in Pine einzubrechen. Als die Polizei auftauchte, flohen die beiden im Auto. Die Polizei verfolgte sie bis nach Denver, wo Auman in Gewahrsam genommen wurde. Jaehnig entkam zu Fuß und erschoss VanderJagt,
während Auman mit Handschellen gefesselt in einem Streifenwagen saß.
Strafverteidiger im ganzen Land sehen Aumans Fall als ihre Chance an, die Gesetzesvorschriften zum “felony murder” anzufechten. Aufgrund dieser wurden mehrfach Personen, die nicht damit gerechnet hatten, dass jemand getötet werden könnte, und auch nicht anwesend waren, als das geschah, zum Tode verurteilt.
“Die ‘felony murder’-Doktrin ist extrem streng und häufig ungerecht”, sagte Lane.
Die Nationale Vereinigung der Strafverteidiger hat einen Schriftsatz zugunsten von Auman eingereicht. Der Rat der Bezirksstaatsanwälte Colorados hat mit einem Schriftsatz gekontert, der die Regierung
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