Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
sich hemmungslos multiplen Halluzinationen und anderen Formen aggressiver persönlicher Demenz hingibt … Im Tandem hätten Mankiewicz und McGovern-Busenfreund Bill Dougherty, der Vizegouverneur von South Dakota, eine Story ausgebrütet, die mich nicht nur in Misskredit gebracht hätte, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch lebenslänglich auf Staatskosten hinter Gitter, wo man mir zwangsweise einen Drogenentzug nach der Hickory-Hills-Methode und vielleicht sogar Elektroschocks verpasst hätte …
WAS? Dieses Wort möchte ich nicht hören!
Schocktherapie? Mit dem Jagdgewehr Haie schießen? Also … ich hab plötzlich das Gefühl, wir treiben es ein bisschen zu weit. Warum wechseln wir nicht lieber das Thema?
Juli 1972
Memo vom Sheriff
Hunter verlangt seinen Freunden viel ab, gibt aber auch eine Menge.
anonym
Eines frühen Wintermorgens sah ich aus dem Fenster. Hunter näherte sich meiner Tür.Vor zehn Uhr vormittags habe ich Hunter nie gesehen, außer vielleicht vor Gericht. Er war gekommen, um mich zu bitten, ihn nach Louisville zu begleiten, wo er am
nächsten Tag mit einem »Schlüssel zur Stadt« geehrt werden sollte. Ich erklärte mich sofort einverstanden.
HST bei einer Wahlveranstaltung in Aspen, zusammen mit Sheriff Bob Braudis (Mitte) und Bürgermeister John Bennett (Steve Skinner)
Um sieben Uhr dreißig am nächsten Morgen machte sich Hunter reisefertig. Wir waren auf einen Flug um acht Uhr dreißig gebucht. Um acht fragte er mich, wie spät es sei. »Acht«, sagte ich. »Mist, bei mir ist es erst halb acht! Das ist jedenfalls Anti-Flughafen-Zeit.« Ich wusste, was er meinte.
Die zweispurige Bergstraße war schneeglatt, und wir überholten manchmal zwanzig Wagen auf einen Schlag, um unsere Maschine zu kriegen. Hunter beglückwünschte mich zu meiner Fahrweise. Mich überkam die Vorahnung, dass dieser Ausflug mit einiger Arbeit verbunden sein könnte.
Wir brauchten den ganzen Tag, um nach Louisville zu kommen.
Der Dokumentarfilmer Wayne Ewing war schon vor Ort gewesen, und das große Ereignis schien gut vorbereitet zu sein. Wir trugen uns im Hotel unter Pseudonymen ein: A. Lincoln. D. Boone. Hunters Suite hatte ein eigenes Esszimmer, in dem vierzig oder fünfzig Shrimp-Cocktails bereitstanden.
Am nächsten Tag erwartete uns als einzige Verpflichtung vor der abendlichenVeranstaltung ein »Soundcheck« im Auditorium. Warren Zevon, Johnny Depp, Hunters Sohn Juan, viele weitere Freunde Hunters und ich nahmen an der »Show« teil.
Hunter war bester Laune. Aus einem gigantischen Feuerlöscher verpasste er Warren, der gerade am Klavier probte, hinterrücks eine volle Ladung und erschreckte ihn damit fast zu Tode.
Wir hatten einen Sedan de Ville zum Auditorium schicken lassen, damit Hunter jederzeit »abhauen« konnte. Er wollte eine Bullenpeitsche kaufen, um sie während der Show knallen zu lassen. Zwei Studentinnen von der Uni, die man uns als Helferinnen zur Seite gestellt hatte, führten uns in eine riesige Lederwarenhandlung.
Hunter fand keine Peitsche, die sich so handhaben ließ, wie ihm vorschwebte, und kaufte stattdessen den Studentinnen Schuhe und Jacken. Wir verbrachten den Nachmittag damit, durch die Gegend zu fahren: Basketball Alley, Cherokee Park und andere Orte aus Hunters Jugendzeit. Bis jetzt noch kein Ärger.
Kurz vor der großen Show bat Hunter mich, dem Veranstalter auszurichten, dass er die Bühne nicht betreten werde, bevor man ihm nicht eine braune Papiertüte, randvoll mit Bargeld, hätte zukommen lassen. Großer Gott. Ich leitete das Ansinnen ein mit: »Ich bin dergleichen nicht gewohnt, aber …« Zwei Minuten vor Anpfiff reichte ich Hunter die Papiertüte. Er verlangt seinen Freunden viel ab.
Der Festakt war eine Liebesbezeugung höchster Güte. Eine Dichterin rezitierte ihre Ode an Hunter, und er war hingerissen. Um vier Uhr morgens saß er am Steuer unseres Sedans, unterwegs, um die Frau vor ihrer Haustür abzusetzen.
Schrotflintenkunst mit Warren Zevon, Owl Farm 1994 (Daniel E. Dibble)
Hunter zwängte den Stolz Detroits auf dem verdammten Gehsteig zwischen Gartenmauern aus Granit und mächtigen Ulmen hindurch, links und rechts höchstens ein Zehntelmillimeter Spielraum. Ich ahnte Ärger von allen Seiten.
»Hunter, fahr zurück auf die Straße! Sämtliche Yuppies in diesen Antebellum-Villen wählen doch schon die 911. Und was willst du den Cops sagen?«
Hunter meinte nur, dass ich alles zu schwarz sähe. Wir setzten die Dichterin ab und fuhren zum
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